Kolumne Michael Franke

Ich sage etwas, das ich selten sage: Der Plan des DFB ist sehr gut

Über Funino sagen viele: „Das ist doch kein richtiger Fußball!“ Nichts könnte falscher sein. De neue Minifußball macht Kindern nicht nur Spaß, sondern schöpft ihr Talent besser aus. Von MICHAEL FRANKE

Ich war selbst mal verbohrt. Als ich noch ein junger Trainer war, habe ich mich gegen eine neue Idee gewehrt, obwohl sie gut war. Die Spielfelder für Kinder wurden damals verkleinert. Mir war klar, dass wir keine Chance mehr haben würden, gegen 1860 München oder den FC Bayern. Auf dem größeren konnten wir diese Gegner schon mal schlagen, weil ich auf die Vorteile meiner körperlich stärkeren Spieler setzte. Gewinnen war mir damals wichtiger als langfristige Entwicklung, das war ein Fehler.

Insofern kann ich den Widerstand gegen die Reform zumindest im ersten Moment nachempfinden, die dem DFB jetzt entgegenschlägt. Der Verband wird den Kinderfußball reformieren. Ab 2024 werden die Altersklassen unter elf Jahren ihre Wettbewerbe anders austragen als bisher. Es gibt keine Ligen und Tabellen mehr, auch keine Spiele im herkömmlichen Sinne. Stattdessen finden Turniere zwischen Mini-Teams aus zwei oder drei Spielern statt, und das Feld ist nur noch so groß wie beim Basketball. Die auffälligste Änderung: Man spielt auf vier kleine Tore, nicht mehr auf zwei große. Das ganze nennt sich Funino.

Das finden nicht alle in den Vereinen gut. Funino erfordert eine andere Organisation. Manche sagen: Das ist doch kein richtiger Fußball. Manche Ablehnung rührt aber auch daher, dass man sich vom DFB nichts mehr sagen lassen will. Der neue Minifußball ist gar Gegenstand eines Kulturkampfs geworden. „Wir züchten ein Volk von neurotischen Loser-Memmen“, schrieb ein User auf Twitter, der ein Herz für die FDP im Profil stehen hat.

Ihm sei von jemandem an der Basis gesagt, der viele Jahre mit Jugendlichen auf und neben dem Platz steht: Nichts könnte falscher sein. Funino, das beim FC Barcelona erprobt wurde, ist großartig. Es macht Kindern Spaß und Studien ergeben, dass sie schneller Passen und Freilaufen lernen. Sie erlangen mehr Spielübersicht. Proficlubs wie die TSG Hoffenheim, der FC St. Pauli oder der 1. FC Nürnberg haben beste Erfahrungen damit gemacht. Auch in den kleinen Vereinen funktioniert das wunderbar.

Im Vordergrund steht also nicht, wie kolportiert, eine Wohlfühlpädagogik, sondern klare Ausbildungsziele. Funino schöpft Talent besser und umfangreicher aus, weil es von allen Beteiligten stetes Aktivsein verlangt. Die Spielerinnen bekommen viel öfter den Ball, sie müssen ständig angreifen oder verteidigen, Zweikämpfe führen, Gegnerinnen ausspielen. Eine Pause können sie sich nicht erlauben. Das ist im konventionellen Sieben gegen Sieben oder Elf gegen Elf anders.

Beim Drei gegen Drei nehmen die Schwächeren auch am Spiel teil, sie schießen sogar Tore. Schwächer heißt ja nicht unbedingt schlechter, verschiedene Kinder befinden sich meist auf einem verschiedenen Entwicklungsstand. Ein Altersunterschied von acht oder elf Monaten kann riesig sein. Funino wirkt der ungerechten Praxis, Kinder unwillentlich zu benachteiligen, die im November oder Dezember geboren sind, entgegen.

Funino verzichtet auf die Torspieler, aber auf diese Position sollte man sich ohnehin später spezialisieren. Manuel Neuers Nachfolger müssen das Spiel mit dem Ball am Fuß beherrschen. Und durch eine Sechs-Meter-Zone werden Weitschüsse verhindert. Im alten Modell hat es oft genügt, hoch zu schießen, um ein Tor zu erzielen. Denn die Latte hing zu hoch für den Knirps, der drin stand. Es hat also Spielverhalten gefördert, das sich auf lange Sicht als nicht zielführend herausgestellt hat. Um ein Tor beim Funino zu erzielen, muss man sich mehr einfallen lassen.

Die Erfinder von Funino haben gesagt: Wir passen die Regeln dem Kind an. Dadurch ist es ein Spiel, für das sie körperlich bereit sind. Und mental, den Schiedsrichter gaben sie selbst. Gefoult wird in diesem Alter ohnehin fast nie.

Eine weitere Sonderregel finde ich ganz wichtig: Gewechselt wird (falls Wechselspielerin vorhanden) nach jedem Tor automatisch in der Rotation. Funino verändert also auch die Rolle des Trainers. Ich hatte selbst mal einen Bambini-Kader von 22 Spielern. Jedes Wochenende musste ich der Hälfte meiner Spieler mitteilen: Du bist diesmal nicht dabei. Vier weitere Kids saßen auf der Bank. In einem engen Spiel wechselte ich bei einer 1:0-Führung mal einen schwächeren Spieler ein, dann verloren wir noch 1:2. Das nahmen mir andere Spieler und auch Eltern übel.

Nun bestimmt nicht mehr der Trainer, wer spielt und wer nicht. Welch eine Erleichterung! Auch die Eltern, hochmotiviert, sind kein Problem mehr, denn Funino gehört ganz den Kindern. Die wollen, das ist zumindest meine Erfahrung, zumindest ab einem gewissen Alter, aber auch ab und an mal aufs große Feld, mit Torspieler im Tor, den Sieg gegen den Nachbarverein, eine Tabelle. Diesem Wusch nach Old School sollten Vereine und Verbände gerecht werden und solche Wettbewerbsformen weiterhin einstreuen.

Doch ansonsten sage ich etwas, das ich selten sage: Der Plan des DFB für den neuen Kinderfußball ist sehr gut.

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Ralf Klohr

    Dass der neue Kinderfußball genau der (theoretisch) richtige Weg ist, steht außer Zweifel. Wer sich damit auseinandersetzt, als Verein kompetente Trainer hat und die Infrastruktur organisieren kann, wird seinen Spaß dabei haben.

    Meine Beobachtungen sehen anders aus. Viele Kindertrainer sind Kindertrainer, weil ihre Kinder Fußball spielen möchten. Sie sind berufstätig, froh dass sie die Zeit für das Training aufbringen können und leben von dem Wissen, das sie haben. Ausgebildet sind die wenigsten. Man sagt, dass man beim Spielbetrieb die Eltern einbinden solle, das wäre kein Problem. Auch hier gilt wieder, dass dies bei gut organisierten Vereinen gut funktioniert. Nicht aber bei den einfachen Vereinen, die tun was sie können, damit die Kinder versorgt sind.

    Ich bin der Meinung, dass diese Reform viel zu ambitioniert ist. Wenn solch eine tiefgreifende Reform die erhofften Effekte bringen soll, hätte man das ganz straff organisiert von unten angehen müssen. Das heißt, beim jungen Jahrgang F-Jugendanfangen und dann nach oben erweitern. So hätte man alle Trainer erreicht. Im Jahr darauf wäre Selbstläufer daraus geworden.

    Unten beginnt man wieder von neuem. Dafür hätte man Geld in die Hand nehmen müssen. Das wird natürlich nicht gemacht. Wie immer bei Kinderfußball. Also macht man wieder halbe Sachen und hofft das es gut geht.

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