Für manchen Trainer sind sie Störfaktoren. Dabei können Eltern den Verein und das Ehrenamt unterstützen – wenn man ihnen die Dinge im Fußball nur gründlich genug erklärt und sie einbindet. Von SUSANNE AMAR und GERD THOMAS
Zwei Hartplatzhelden, die Kommunikationsexpertin im Kinder- und Jugendfußball Susanne Amar und Gerd Thomas, haben im Namen des FC Internationale Berlin zuletzt drei Veranstaltungen durchgeführt. Eingeladen waren Vorstände, Coaches und Eltern, diskutiert wurden aktuelle Herausforderungen des Ehrenamts im Amateursport.
Die Ergebnisse werden demnächst schriftlich aufgearbeitet, aber so viel sei verraten: Kommunikation wird in allen Bereichen des Amateurfußballs ein stärkeres Gewicht zukommen. Zwar ist die Digitalisierung nicht aufzuhalten, doch sie kann nie den persönlichen Kontakt ersetzen. Die Veranstalter waren mit der Reihe sehr zufrieden, besonders gefallen hat ihnen die Veranstaltung „Fußballeltern: Das Team hinter dem Team“. Hier ein Dialog der beiden über ihre Erkenntnisse:
Gerd: Hallo Susanne, das waren großartige Termine. Besonders beeindruckend waren die Ergebnisse zum Thema Eltern, oder?
Susanne: Hallo Gerd, es hilft, Eltern Grundsätzliches zu erklären, ihnen zu zeigen, wie der Fußball „funktioniert“ und wo es ihrer Unterstützung Bedarf. Generell kamen viele Gruppen miteinander ins Gespräch. Das ist wichtig, denn wir müssen unser Handeln, unsere Gründe anderen erläutern und uns kennenlernen. Nur so ist ein Miteinander möglich.
Gerd: Warum ist das wichtig? Ist es nicht vor allem nötig, dass der Coach eine klare Linie hat und sich durchsetzen kann?
Susanne: Wir sind in unterschiedlichen Rollen: Trainer, Spieler, Eltern, Vorstände. Die Erwartungen unterscheiden sich oft, vor allem aber unser Wissensstand. Menschen gehen unterschiedlich mit Problemen um. Wenn wir anderen spiegeln, wie wir uns in einer Situation fühlen, hilft das, ein besseres Verständnis füreinander aufzubauen. Es bleibt wichtig, miteinander zu sprechen.
Gerd: Kannst du das erläutern? Die meisten Mannschaften werden heute eher über Team-Apps oder Chatgruppen organisiert.
Susanne: Solche Gruppen können bei der Organisation helfen, aber man kann darin schwer Diskussionen führen. Es ist beispielsweise wichtig, in einem Gespräch auch mal zu versuchen, sich in das Gegenüber zu versetzten. Oft geht man von Annahmen aus, die nicht der Wirklichkeit entsprechen.
Gerd: Hast du ein Beispiel?
Susanne: Mancher Trainer kommt zu dem Schluss: „Die Eltern wollen gar nicht!“ oder: „Deren Interesse, sich zu beteiligen, fehlt!“ Dabei wissen viele Eltern nicht, was von ihnen erwartet wird, wo sie konkret helfen können. Weil es ihnen niemand erklärt. Deshalb empfehle ich unbedingt vor jeder Halbserie einen Elternabend.
Gerd: Elternabende sind zunehmend unbeliebter.
Susanne: Wenn ich nur einen Zettel mit Regeln und Verboten bekomme, hilft ein Elternabend nicht. Wenn wir es aber schaffen, Eltern und Verein im Sinne der Kinder zu einem Team zu formen, haben alle etwas davon. Wir erfahren einfach mehr voneinander, können die Stärken der Einzelnen besser fürs Ganze nutzen. Dabei ist es wichtig, individuell auf den Verein und die Mannschaften zu schauen. Jeder Verein hat seine eigene DNA und muss selbst herausfinden, was für ihn am besten passt.
Gerd: Einige Eltern wollen Einzelgespräche. Wie sieht es damit aus?
Susanne: Wir müssen immer berücksichtigen, was Trainer leisten können. Aber natürlich können vertrauliche Gespräche helfen. Nehmen wir an, ein Kind kommt dauernd zu spät. Vielleicht sind die Gründe familiärer Art, weil ein Elternteil alleinerziehend ist und noch zwei weitere Kinder hat. Da kann es schon mal passieren, dass sie/er es nicht immer pünktlich schafft. Hier hilft offene Kommunikation unter vier oder sechs Augen. Vielleicht können andere Eltern das Kind zum Training abholen und wieder nach Hause bringen. Lösungen sind manchmal einfach.
Gerd: Ganz konkret: Wo kann ich als Trainer die Eltern in die Teamstruktur einbinden?
Susanne: Viele Eltern tun sich schwer mit dem Umfeld eines Vereins, gerade wenn sie noch keine Erfahrung haben. Eltern stehen in der Vereinsstruktur fast immer weit unten. Aber ohne sie geht es nicht. Viele Eltern kennen den Fußball nicht. Die Vereine sollten ihnen erklären, was erwartet wird, aber auch wo Mütter und Väter Hilfe leisten können. Sie können etwa die Trikots waschen, die Mannschaft mit Getränken oder Obst versorgen, die Kinder zum Auswärtsspiel transportieren, in höheren Altersklassen die Unparteiischen betreuen. Schiedsrichter, die sich wertgeschätzt fühlen, sind dankbar. Meist geht es dann auf dem Platz entspannter zu.
Gerd: Nun gibt es Vereine, die sehen Eltern eher als Gegner denn als Partner. Was sagst du denen?
Susanne: Meine erste Frage an die Vereine lautet immer: „Wollt ihr mit den Eltern zusammenarbeiten?“ Das müssen die Vereinsverantwortlichen für sich ehrlich beantworten. Wir hören überall, das Ehrenamt geht in die Knie. Mein Tipp: Eltern bieten ein großes Potenzial, das kann man nutzen. Es müssen nicht alle Trainer werden. Aber wir können Eltern in viele kleinere Aufgaben einbinden. So können sie zum Beispiel Neuankömmlingen erklären, wie der Verein tickt. Und manchmal werden aus Eltern später Jugendleiter oder Vorsitzende, wie du weißt. Wenn man sie hingegen nicht einbezieht, passiert auch nichts. Wer kommt schon von selbst und erklärt: Ich würde gern in der Vereinsarbeit mitarbeiten, wenn man gar nicht weiß, was da auf einen zukäme und ob man erwünscht ist?
Gerd: Welche Erfahrung hast du persönlich gemacht?
Susanne: Ich habe mit unserem Sohn Vereine kennenlernen dürfen, die mich als Mutter nicht willkommen geheißen haben. Da fällt es dann schwer, Unterstützung anzubieten.
Gerd: Viele Vereine hängen Plakate für die Eltern auf, an was die sich zu halten hätten. Verbände hängen Transparent auf: „Liebe Eltern. Anfeuern erlaubt, aber positiv!“ Hilft das?
Susanne: Verhaltensregeln haben Sinn, aber Schilder oder Transparente alleine reichen nicht. Wichtig ist, dass den Eltern der Mehrwert für ihre Kinder erklärt wird und warum Regeln neben dem Platz notwendig sind. Viele haben kein Problem mit Kommentaren von außen, andere fühlen sich damit überhaupt nicht wohl. Man darf davon ausgehen, dass HB-Männchen am Rand für alle Kinder unangenehm sind. Nimmt das Überhand, hören Kinder mit dem Sport auf.
Gerd: Wie verhindert man das?
Susanne: Es hat Sinn, Eltern den Spiegel vorzuhalten. Wir haben mal einen Rollentausch gemacht. Die Eltern mussten spielen, die Kinder standen am Spielfeldrand und schlüpften in die Rolle der Eltern. Das war für einige erhellend, denn sie fühlten sich gar nicht mehr wohl, wenn die Sprösslinge ihnen ständig Anweisungen gaben.
Gerd: Nun stelle ich mir vor, ein 22-jähriger Trainer ordnet einen solchen Rollentausch an. Wie will der das hinkriegen?
Susanne: Trainer müssen sich gegenseitig helfen. Erfahrene Coaches sollten eher unerfahrene unterstützen, als eine Art Mentor. Das ist nicht so kompliziert, wie es sich anhört. Oft hilft es schon zu wissen, da ist jemand im Hintergrund, den ich mal um Hilfe oder Rat fragen kann.
Gerd: Sind die Vereine entsprechend aufgestellt?
Susanne: Das ist sehr unterschiedlich. Am Ende sind es immer Menschen, die dahinterstehen. Wünschenswert wäre natürlich eine aktivere Unterstützung der Politik, indem Programme zur Stärkung von Vereinen, aber auch zur Verbesserung der Dialogfähigkeit aufgelegt werden. Der Sport hat so viele Möglichkeiten, die Gesellschaft zu stärken. Das ist an den meisten Stellen leider nicht erkannt worden. Viele Trainerinnen und Trainer von heute sind die Führungskräfte von morgen. Und viele Eltern können daran mitwirken. Oft ist es ihnen, wie den Vereinsfunktionären, gar nicht bewusst.
Gerd: Dein Rat zum Schluss, damit Elternarbeit im Verein gelingt?
Susanne: Alle drei Parteien, also Verein, Eltern, Trainer, an einen Tisch bringen und dafür sorgen, dass alle bereit sind, voneinander zu lernen, ihre Kräfte zu bündeln. Im Sinne der Kinder. So entsteht eine belastbare Gemeinschaft, die am Ende erfolgreich sein wird.
Gerd: Vielen Dank, ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.
Die Veranstaltungsreihe umfasste drei Termine: Stärkung von Vereinsvorständen, Unterstützung von Trainerinnen und Trainern, Umgang mit Eltern. Verantwortlich war der FC Internationale Berlin, konzipiert wurde die Reihe von Susanne Amar und Gerd Thomas. Wir bedanken uns für die Unterstützung bei der Sportschule des Landessportbundes Berlin, der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, dem Berliner Netzwerk Fußball und Gesellschaft sowie der Deutschen Stiftung Engagement und Ehrenamt. Die Abschlussveranstaltung wird am 8. November 2024 stattfinden.