Hartplatzhelden-Kolumne #91: Vereine definieren sich meist über die Liga der Mannschaft welchen Geschlechts? Drei Mal dürfen Sie raten. Wir müssen das ändern. MICHAEL FRANKE hat eine Idee.
Wenn man über seinen Verein spricht, fällt oft die Frage: In welcher Liga spielt ihr? Schnell wird sie selbstverständlich mit der Liga der Ersten Herrenmannschaft beantwortet. Interessanterweise auch in Vereinen mit Frauen- und vielen Jugendteams. Als hingen das Gewicht, die Leistung, der Wert des Vereins von der Ligenzugehörigkeit einer einzelnen Mannschaft des Vereins ab.
Das mag ein Maßstab für Profivereine sein. Für Ligen, in denen die Finanzierung der Struktur des Vereins von der Liga des Profiteams direkt abhängt. Im Amateurfußball greift diese Kategorisierung aber viel zu kurz. Denn ein großer Teil unserer Vereine leistet gesellschaftlich wesentlich mehr als eine sportlich starke Herrenmannschaft an den Start zu bringen.
Mit dieser sehr eindimensionalen Bewertung von Vereinen gehen verschiedene Probleme einher. Gerade weil die eine Herrenmannschaft auch im unteren und mittleren Amateurbereich als so wichtig erachtet wird, definieren viele Vereinsvorstände ihren Selbstwert, aber auch den Wert ihrer Arbeit über die Liga der Ersten Herren. In der Folge kommt es zu den bekannten Verwerfungen. Mannschaften werden ligawunschgemäß gecastet, es fließt reichlich Geld.
Besonders absurd wird der Umstand bei den Vereinen, die nicht mal eine eigene Jugend haben. Definitiv leistet jeder Verein, auch der Verein mit nur einer oder zwei Herrenteams grundsätzlich die wichtige Arbeit einer funktionalen Sozialstruktur. Doch ist es wirklich wertvoller, eine einzelne Mannschaft in eine obere Amateurliga zu hieven, als gute Jugendarbeit zu leisten mit dem Ziel, Kindern und Jugendlichen Bewegung und Werte zu vermitteln? Ist es wirklich gerecht, denjenigen Vorstand zu überhöhen und ehren, der die eine Mannschaft unter Einsatz erheblicher eigener oder fremder Mittel nach oben gebracht hat? Ist das überhaupt noch Verein?
Erste Herren über alles – diesem Prinzip liegt ein enormes Missverständnis von gesellschaftlicher Relevanz zugrunde. Wer die Arbeit der Breitensportvereine auf die Erste Herren reduziert, bewertet die gewaltige Leistung des Ehrenamts in der Breite der Vereine unter. Die Entwicklung und Förderung junger Spieler hat deutlich weniger Gewicht und Relevanz in der Wahrnehmung als die Verpflichtung von Spielern, von denen manche noch dazu in der sportlich falschen Liga unterwegs sind. Dann schießen plötzlich Stürmer mehr als 40 Tore pro Saison und werden gefeiert. Verargumentiert wird diese Absurdität mit dem Argument, damit positive Vorbilder zu schaffen.
Wirklich jetzt? Es wäre eine Aufgabe für die Soziologie herauszufinden, ob es diesen Zusammenhang wirklich gibt. Ich zweifle stark.
Was wäre die Lösung? Möglicherweise wäre ein Vereinsscoring der richtige Weg. Also die objektive Bewertung von Vereinen nach ihrer Gesamtperformance. In diesen Score könnte die Zahl lizensierter Trainer fließen, die Zahl der Jugendteams im Verhältnis zur Infrastruktur oder die Zahl der ausgebildeten Schiedsrichter. Zudem könnte in dieses Scoring das sonstige gesellschaftliche Engagement fließen. Ich denke an Nachhaltigkeit, soziale Aktivitäten oder Inklusion. An den ermittelten Score könnte ein Prämiensystem gekoppelt werden, um Vereine zu entsprechenden Handlungen zu motivieren und damit einen maximalen Wert für die gesellschaftliche Entwicklung zu leisten.
Gute Idee?
Foto von Jeffrey F Lin auf Unsplash