Hartplatzhelden-Kolumne #89: Ohne Ü60 wäre nicht viel los, viele Mitglieder stützen ihren Verein bis ins hohe Alter. Warum eigentlich nicht darüber hinaus? Von GERD THOMAS
Die Rolle der Alten wird im Fußball unterschätzt. Nicht die der Silberrücken Watzke, Hoeneß oder Kind, sondern die der älteren Semester in den Vereinen an der Basis. Nicht nur in Berlin boomt der Altliga-Fußball. Kein Wunder, die Zahl der medizinischen Wunder steigt. Wer einigen 65-jährigen beim Warmmachen zusieht, kommt ob der Beweglichkeit aus dem Staunen nicht mehr raus. Gute Koordination hilft beim anschließenden Match auch beim Torabschluss oder bei der Verhinderung von Chancen des Gegners.
Doch auch in anderen Bereichen gilt es, sich die Leistungen der Senioren näher anzusehen. Viele erledigen ehrenamtliche Arbeiten, die nicht bei allen beliebt sind – vom Platzkassierer über den Grillmeister bis hin zur Rasenpflege, Spendensammler oder Mitgliederverwaltung.
Manchmal geht es einfach um die Geselligkeit, wie beim Stammtisch der „Alten Germanen“ in der Gemeinde Rattelsdorf in Oberfranken, mitgegründet von meinem Schwiegervater, der einst auch das Vereinsheim mitbaute und in mehr als 10 Vereinen vor Ort ist – vom Pfeifenclub über VdK bis zum Sportverein. Wer glaubt, dort würde altdeutsche Geschichte behandelt oder Brauchtum in Fellkleidung begangen, liegt falsch. Es handelt sich bei der Runde um die älteren Mitglieder der Spielvereinigung Germania Ebing, einem Kreisligisten im Landkreis Bamberg. Wobei die Frauen in der Landesliga spielen, das soll nicht verschwiegen werden.
Die „Alten Germanen“ treffen sich alle zwei Wochen in einem der beiden örtlichen Wirtshäuser – immer schön abwechselnd – singen Lieder aus der Mundorgel, fachsimpeln oder sinnieren beim selbst gebrauten Bier der Gaststätte Schwanen Bräu oder beim Nothelfer-Trunk, den der Gasthof Drei Kronen gegenüber ausschenkt. Dorfgemeinschaft, Treffen und Unterhaltung unter dem Wappen des Fußballvereins, den Wimpel stets in der Mitte des Stammtischs.
Ein Kollege von Werder Bremen erzählte mir einst über die vielen ehrenamtlichen Rentner, die für den Verein in Kitas oder Schulen gehen und stolz darauf sind, im Namen ihres Vereins tätig sein zu dürfen. Keine Ahnung, ob das heute noch so ist, aber wer kann den Verein authentischer vertreten als Menschen, die schon 40, 50 oder gar 60 Jahre Mitglied sind?
Werder war zusammen mit Schalke, Leverkusen und Wolfsburg einer der Vorreiter beim Walking Football in Deutschland, das sich immer größerer Beliebtheit erfreut. Die Schalker hatten sogar Klaus Fischer und Martin Max als Botschafter dabei. Gefördert wurde die Einführung von Walking Football über das Programm PFiFF (Pool zu Förderung innovativer Fußball- und Fankultur) der DFL. Denn nicht zuletzt waren es Fans, welche die Initiative ergriffen, wenn auch betagtere.
Eine andere wichtige Funktion wird oft übersehen. Ältere Mitglieder sind meist finanzielle Förderer von Sportvereinen. Sei es als klassischer Sponsor über die eigene Firma, sei es als Spender, oder indem sie Menschen mit finanziellen Möglichkeiten ansprechen und überzeugen, monetär für den Verein aktiv zu werden. Ohne das Zutun der Oldies würde manche Herren- oder Jugendmannschaft kaum auflaufen.
Beim FC Internationale Berlin tagt alle vier Wochen der so genannte „Club Voltaire“. Hier kommen mittwochs um 11 Uhr an die dreißig Menschen zusammen. Viele von ihnen treffen sich an anderen Tagen auch beim Seniorensport oder beim Boule am Goldenen Hirschen in Blickweite zum Rathaus Schöneberg. In den Club Voltaire werden Fachleute eingeladen, die über so verschiedene Themen wie China, Rente, Wilhelm Busch oder die Berliner Pläne zur EURO2024 referieren. Anschließend gibt es Pizza und ein Spendentopf für den Inter-Sozialfonds geht rum.
Ein Thema wird in letzter Zeit immer wieder angesprochen. Wie können wir Menschen dazu bewegen, den Sportverein ihres Herzens in ihrem Testament zu berücksichtigen? Tatsächlich ist perspektivisch geplant, sich mit Experten zusammenzusetzen, die sich im Erbschaftsmarketing auskennen. Der Begriff mag einigen unangemessen erscheinen. Aber nüchtern betrachtet, lohnt es sich, damit auseinanderzusetzen.
Vereine haben vielen Menschen Jahrzehnte lang ihr Leben bereichert, manchmal durch Tore und Siege versüßt. Dort werden und wurden Freundschaften geschlossen, manchmal auch Familien gegründet. Auf jeden Fall lässt der Verein viele ein Leben lang nicht los, was ja positive Gründe haben muss. Gemeinsame Hobbys und Interessen vereinen eben.
Nur die wenigsten denken darüber nach, dieser sportlichen Familie etwas zu hinterlassen. Dabei läge die Berücksichtigung des Vereins oft näher, als das Erbe an entfernte oder ungeliebte Verwandte zu geben.