Hartplatzhelden-Kolumne #86: Damit Vereine dem Ansturm der Kinder nach Euro und Olympia gerecht werden, braucht es eine Aufwertung des Ehrenamts. ARD und ZDF haben die Pflicht, dabei zu helfen. Eine revolutionäre Idee von GERD THOMAS

Manchmal noch bringt Social Media einen guten Einfall. In einer LinkedIn-Diskussion mit dem Amateurfußball-Kollegen Matthias Maslaton aus Düsseldorf kam mir Folgendes: Warum verpflichten wir nicht die öffentlich-rechtlichen Sender, in jeder größeren Sportsendung, ein erfolgreiches ehrenamtliches Projekt vorzustellen? Das wäre im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags und sollte von den Mitgliedern der Rundfunkräte im Sinne der Bürgernähe eingebracht werden.

Vereine könnten sich bewerben, Projekte vorgeschlagen werden. Jeden Samstag und Sonntag gäbe es in der „Sportschau“ und im „Aktuellen Sportstudio“ einen 3-Minuten-Slot, professionell vom Sender gedreht. So könnten pro Jahr rund 200 Projekte und Vereine vorgestellt werden und eine Bekanntheit erlangen. Theoretisch könnte man das auf kulturelle Projekte ausdehnen, die dann in Aspekte oder Titel, Thesen, Temperamente vorgestellt würden, das nur nebenbei.

Das Ehrenamt hat es schwer, im Fußball allemal. Zwar jubeln die Sportverbände, dass mehr Kinder in die Vereine strömen. Erstens sind nach der Pandemie viele tatsächlich wieder an Präsenzkontakten interessiert. Zweitens gab es zuletzt geburtenstarke Jahrgänge, auch wenn sich das gerade wieder ändert. Die schöne EM im eigenen Land und Olympia in Paris werden den Trend noch verstärken.

Der steigende Nachwuchs will aber betreut werden, dazu braucht es Sportstätten. In den Ballungsräumen ist es um die amateursportliche Infrastruktur schlecht bestellt, in Berlin, Hamburg, München oder Köln könnte man sie als Zumutung bezeichnen. Während die Politik der angeblich darbenden Hauptstadt zig Millionen, oft sogar Milliarden, für sportliche, kulturelle und KfZ-orientierte Prestigeobjekte zur Verfügung stellt, verrotten Sportplätze, Hallen und – auch das soll erwähnt werden – Schulen. In meinen Augen eine inakzeptable elitäre Prioritätensetzung zugunsten von Hochkultur, Profisport und SUV-Besitzern.

Warum die Sportverbände dagegen nicht aufbegehren, bleibt ihr Geheimnis. Nun, jeder hat die Lobby, die man verdient hat. Solange sich niemand beschwert, arbeiten die Funktionäre langsam und mit den Schwerpunkten, die ihnen am wenigsten Probleme machen. Zwar gibt es von Vereinsvorständen genug Beschwerden über „Die da oben“, aber Meckern am Tresen hat noch nie etwas bewirkt. Wichtiger wäre, sich in den Verbandsgremien zu engagieren, was den meisten zu anstrengend ist.

Fast noch schwerer als die schlechten Sportanlagen wiegen die Probleme, genügend Trainerinnen und Trainer zu finden. Doch wer macht sich Gedanken, wie wir die Misere beheben? Zum Thema Ehrenamt haben Hartplatzheldin Susanne Amar und ich im Frühjahr eine Veranstaltungsreihe durchgeführt. Es ging um die Stärkung von Vorständen, Coaches und um die Rolle der Eltern. Wir haben mit Engagierten von der Basis diskutiert, die wissen, worüber sie reden. Drei Einschätzungen kamen immer wieder auf:

  • zu wenig Wertschätzung
  • schwierige Kommunikation im Verein
  • Überlastung zu weniger Engagierter

Am 8. November werden wir in der Sportschule des LSB Berlin die Ergebnisse vorstellen und Handlungsempfehlungen aufzeigen. Gleichwohl ist das Thema damit nicht beendet, es geht dann erst richtig los.

Wir brauchen weitere Anreize für das Ehrenamt. Eine rein intrinsische Motivation wird für einen 23-jährigen Jugendtrainer, der seine Miete zahlen muss, als Motivation für zehn oder fünfzehn Stunden pro Woche ehrenamtliches Engagement nicht reichen. Drunter läuft es nicht, will man ambitioniert und engagiert eine Mannschaft führen. Geht es um die Besetzung von Vorstandsposten, verschärft sich die Situation. Wie wäre es, über ein Jahresabo für den öffentlichen Nahverkehr oder einen Steuernachlass nachzudenken?

Julian Nagelsmanns wurde für seine Rede zum Zusammenhalt gelobt. Dass die selbsternannten Patrioten von der AfD es mit der Nationalmannschaft und deren Trainer nicht so haben, ist verkraftbar. Doch nehmen wir die Worte des Bundestrainers ernst, müssen wir die Debatte um die Attraktivität des Ehrenamts leidenschaftlich und konstruktiv führen. Vereine lehren Solidarität und demokratische Regeln. Uns allen sollte daran gelegen sein, genau das in unserem Land zu fördern. Vereine können aber nur so gut wirken, wie es die Bedingungen hergeben. Und die müssen sich verbessern!

Sonst orientieren sich immer mehr Leute am Gedicht „Ehrenamt“ von Wilhelm Busch. „Willst du nicht zu früh ins Grab, lehne jedes Amt gleich ab!“ Ein Gegenmittel wäre mehr Sichtbarkeit fürs Engagement. Warum bringen wir nicht über die Rundfunkräte ein, dem Ehrenamt mehr Platz im Fernsehen einzuräumen? Drei Minuten in einer 90-Minuten-Sendung sind gerade einmal 3,3 Prozent. Nebeneffekt: Sind die Filme gut, werden sie vielleicht zum Quotenhit.

Eine Idee für die Auswahl der Projekte hätte ich auch: Wer könnte besser als die Hartplatzhelden nach Beispielen Ausschau halten und diese einordnen? Ein kongenialer Partner könnte die „Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt“ sein, eine der besseren politischen Ideen der letzten Jahre. Auch die Deutsche Sportjugend wäre geeignet, mitzuwirken.

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