Hartplatzhelden-Kolumne # 65: Für Vereine kann es zum massiven Problem werden, wenn sich extreme Gesinnungen im Club breitmachen oder sogar Strukturen bilden. Ein Überblick über die rechtliche Lage von FABIAN REINHOLZ

Wie wird man unliebsame Vereinsmitglieder los? Vor ein paar Jahren habe ich auf einer Veranstaltung zum Thema „Rechtsextremismus im Verein“ vor Vertretern diverser Sportvereine referiert und erklärt, unter welchen Umständen Vereine Mitglieder ausschließen können, die nachweislich in politisch extremen Vereinigungen oder Gruppierungen aktiv sind. Für Vereine kann es zur großen Herausforderung werden, wenn sich extreme Gesinnungen verfestigen.

Bis dahin waren wenige Fälle bekannt, in denen Gerichte über den Ausschluss aus Vereinen entscheiden mussten. Dem SV Werder Bremen gelang es 2011, sein damaliges Mitglied Jens Pühse aus dem Verein zu werfen. Pühse war Spitzenkandidat der Bremer NPD, ihm wurde vorgeworfen, die Vereinsmitgliedschaft für Wahlkampfzwecke missbraucht zu haben. Seine Klage gegen den Vereinsausschluss scheiterte, weil das Landgericht Bremen fand, dass die Entscheidung des Vereins von der Satzung gedeckt gewesen sei. Ähnliches gelang dem Landessportbund Sachsen-Anhalt im Jahr 2015. Mehrere Spieler des Clubs FC Ostelbien Dornburg gehörten laut Verfassungsschutz zur rechtsradikalen Szene, Schiedsrichter und andere Vereine beklagten Übergriffe bei Spielen gegen den Club. Der Verein wurde aus dem Verband ausgeschlossen. Dagegen gerichtete einstweilige Verfügungsanträge der Dornburger wies das OLG Naumburg zurück. Auch hier sahen die Richter die Entscheidung von der Verbands-Satzung gedeckt.

Im aktuellen Fall ging der Rechtsstreit sogar bis nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht. Der Landesvorsitzende der Hamburger NPD, Lennart Schwarzbach, war 2019 von seinem Verein TSV Appen (ein Club in Schleswig Holstein, kurz vor Hamburg) wegen seiner Parteizugehörigkeit ausgeschlossen worden (FAZ berichtete). Der Verein hatte zuvor mehrfach erfolglos versucht, das Mitglied auszuschließen. Dann änderte er seine Satzung wie folgt:

„Grundlage der Vereinsarbeit ist das Bekenntnis aller Mitglieder des Vereins zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. (…) Der Verein tritt allen extremistischen Bestrebungen entschieden entgegen. Der Verein bietet nur solchen Personen die Mitgliedschaft an, die sich zu diesen Grundsätzen bekennen. Mitglieder von extremistischen Organisationen gleich welcher politischen Ausrichtung, sowie Mitglieder rassistisch und fremdenfeindlich organisierter Organisationen oder religiöser Gruppierungen, wie z.B. der NPD und ihre Landesverbände, können nicht Mitglied des Vereins werden.“

Nach der Satzung können Mitglieder, die insoweit gegen die Satzung verstoßen, ausgeschlossen werden. Und so geschah es auch im Fall „Schwarzbach“. Den Ausschluss hat das Mitglied erfolglos bei den Zivilgerichten angefochten. Vor die Zivilgerichte geht so etwas deshalb, weil es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit handelt: Verein und Mitglied sind Personen des Privatrechts, der eine die juristische, der andere eine natürliche Person.

Schwarzbach erhob Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde aber nicht zur Entscheidung an. Das macht das Verfassungsgericht mit mehr als 90% der Verfassungsbeschwerden, ist also der Regelfall.

Die Verfassungsbeschwerde wird vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommen, wenn sie keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung hat oder wenn sie zur Durchsetzung eigener verfassungsmäßiger Rechte der Beschwerdeführer nicht angezeigt ist. Daher geht auch jeder Nichtannahmeentscheidung eine intensive Rechtsprüfung voraus. Die Nichtannahme muss vom Gericht nicht einmal begründet werden. Auch hier ist es so, dass nicht begründete Nichtannahmeentscheidungen die Regel sind. Wer sich darüber mehr informieren möchte, mag einmal hier auf der Website des BVerfG vorbeischauen oder oder sich das sehr informative Interview von Jung&Naiv mit Andreas Voßkuhle (Präsident des BVerfG a.D.) ansehen.

Im Fall „Schwarzbach“ hat das BVerfG die Nichtannahme sogar begründet. Ich fasse mal zusammen:

1. Schwarzbach beruft sich darauf, durch den von den Instanzgerichten bestätigten Vereinsausschluss in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG verletzt zu sein. Danach darf niemand aufgrund seiner politische Anschauung diskriminiert werden. Schwarzbach argumentiert somit in der Art: seine Parteizugehörigkeit und seine politische Anschauung sei allein seine Sache, sie dürfe kein Grund dafür sein, dass er nicht Mitglied in einem Sportverein sein darf (Menschen anderer politischer Anschauung aber schon). Zudem ist die Verfassungswidrigkeit der NPD bis heute nicht festgestellt bzw. hat sie nicht zu einem Verbot der Partei geführt. Zuletzt scheitere ein Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2017. Zwar wurde der NPD bescheinigt, mit ihren Prinzipien die demokratische Werteordnung grob zu missachten. Es fehle jedoch an gewichtigen Anhaltspunkten, dass ihr Handeln diese Wertordnung konkret gefährdet.

2. Wieso darf sich Schwarzbach überhaupt auf Grundrechte berufen? Grundrechte geltend nämlich gar nicht zwischen Privaten, weil Grundrechtsadressat die öffentliche Gewalt (der Staat) ist. Nur gegenüber Maßnahmen des Staates kann man sich auf Verletzung von Grundrechten berufen. Ausnahme ist die sog. mittelbare Drittwirkung von Grundrechten. Grundrechtsverletzungen können daher auch ausnahmsweise im Privatrechtsverkehr geltend gemacht werden, wenn ein Zivilgericht in einem Streit unter Privaten grundrechtliche Wertvorgaben nicht beachtet. Nach Auffassung des Beschwerdeführers: die Verletzung des Diskriminierungsverbots (siehe oben).

3. Die Verfassungsrichter meinen, es könne dahinstehen, inwieweit Schwarzbach wegen seiner politischen Ansichten durch den Vereinsausschluss benachteiligt werde. Maßgeblich sei nämlich, dass sich der Verein seinerseits auf Grundrechte berufen könne. Aufgrund der Vereinsautonomie (Art. 9 Abs. 2 GG – Vereinigungsfreiheit) könne der Verein nämlich selbst bestimmen, wer Mitglied sein darf und wer nicht. Wenn sich der Verein dabei an seine satzungsmäßigen Vorgaben halte und diese nun mal an einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und gegen politischen Extremismus orientiert sind, sei das nicht zu beanstanden. Im Übrigen lasse sich auch aus dem Grundgesetz das Recht ableiten, sich gegen verfassungsfeindliche Bestrebungen zur Wehr zu setzen, zB aus Art. 9 Abs. 2 GG (Vereinsverbot) und Art. 21 Abs. 2 GG (Parteiverbotsverfahren).

Merke also:

  • Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die den Ausschluss von Vereins-Mitgliedern regeln.
  • Ausschlussgründe müssen sich daher aus der Vereins-Satzung ergeben. Die muss insoweit klar und verständlich sein.
  • Gerichtliche Kontrolle erstreckt sich darauf, ob
    • verbandsinternes Ausschlussverfahren eingehalten wurde, das den elementaren rechtsstaatlichen Normen und der verbandseigenen Verfahrensordnung entspricht,
    • die verhängte Maßnahme eine Stütze in der Satzung findet,
    • die zugrundeliegenden Tatsachen fehlerfrei ermittelt wurden und
    • die Maßnahmen nicht grob unbillig oder willkürlich sind.

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