Eltern sind ein Schlüssel zur Stärkung des Ehrenamts. Vereine sollten sie stärker einbeziehen. Es ist gar nicht so schwer, als erstes sollte man mit ihnen reden.
Kinder- und Jugendfußball ist viel mehr als Training und Tore. Er ist ein Ort, an dem Freundschaften entstehen, an dem Kinder lernen, fair zu spielen, Verantwortung zu übernehmen und Teil einer Gemeinschaft zu sein. Was oft übersehen wird: Damit dieser kleine Kosmos funktioniert, braucht es Ehrenamtliche.
Fast ein Fünftel der Vereine sieht sich durch fehlende Ehrenamtler in ihrer Existenz bedroht. Da braucht es jede helfende Hand, um den Vereinsalltag und Spielbetrieb am Laufen zu halten. Die unterstützen können, deren Potenzial aber oft nicht erkannt wird, sind die Eltern der Spielerinnen und Spieler.
Viele Jugendtrainerinnen und -trainer engagieren sich neben Job, Familie und Studium. Sie tun das, weil ihnen der Fußball am Herzen liegt, stoßen jedoch häufig an Grenzen. Allein können sie die vielfältigen Aufgaben neben Training und Spielbetreuung nicht stemmen. Mit Spielvor- und -nachbereitung, Spielberichte schreiben, Turniere organisieren oder Trainersitzungen kommen je nach Alter der Kinder schnell zwischen 12-16 Wochenstunden zusammen. Fast zwei Arbeitstage.
Marthe Lorenz von Klubtalent berichtet von 20 bis 25 Prozent der Eltern, die nicht wissen, dass Trainerinnen und Trainer ehrenamtlich arbeiten. Den wenigsten ist bewusst, dass diese Arbeiten größtenteils unentgeltlich getätigt werden, es im besten Fall eine geringe Aufwandsentschädigung gibt. Solange wir solche und höhere Prozentsätze haben, sollten wir uns nicht wundern, dass es eher fünf nach als vor zwölf ist.
Gleichzeitig werden Eltern, wenn sie in die Zusammenarbeit einbezogen werden, auf den Fahrdienst zu Auswärtsspielen, Trikotwäsche, Kuchenspende oder zu Grilldiensten reduziert. Dabei gibt es viel mehr Aufgaben, bei denen sie unterstützen könnten, wenn sie denn wüssten, wo und wie.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Lebenswelten von Familien nicht mit dem derzeitigen Ehrenamt kompatibel sind. Viele Eltern haben selbst volle Terminkalender, pendeln zwischen Job, Haushalt und Freizeit ihrer Kinder. Da bleibt kaum Raum für zusätzliches und vor allem freiwilliges Engagement im Verein. Manche fühlen sich unsicher oder glauben, ihnen fehle das „richtige“ Wissen. Dabei reichen oft schon zwei helfende Hände.
Wo es hakt – die Herausforderungen
Damit diese „blinden Flecken“ sichtbar werden, muss das Ehrenamt transparent werden. So einfach das klingt, ist die Umsetzung in der Praxis für viele Vereine eine Herausforderung. In meiner Arbeit sehe ich immer wieder, dass es auf beiden Seiten – Eltern und Verein –
unterschiedliche Erwartungen gibt. Werden diese nicht geklärt, führt das zu Frust, Stress, Konflikten und nicht selten zu Austritt aus dem Verein. Gilt für Spieler wie Trainer und Funktionäre.
Damit sich das Ehrenamt verändern kann, müssen Vereine aktiv werden.Sprich darüber!
Um Eltern über die diversen Tätigkeiten von Trainer und Funktionären sowie Vereins- wie auch Mannschaftsarbeit aufzuklären, ist es wichtig, sie zu identifizieren. Daher ist ein wichtiger Schritt, ALLE Aufgaben zu nennen, zu erklären (bitte so, dass Eltern sie verstehen) und zu verschriftlichen. Denn wer schreibt, der bleibt!
So ein Dokument ist vielfach einsetzbar, kann jederzeit weiter ergänzt werden und gibt Eltern wie Trainer eine Grundlage. Bereits auf der Elternseite der Vereinshomepage veröffentlicht, an den Mitgliedsantrag angehängt oder im Erstgespräch als Handout ausgehändigt wird so dem Dienstleistungsgedanken vieler Eltern entgegengewirkt.
Frag nach!
Viele Eltern bringen Kompetenzen mit, die vielfältig im Verein oder in der Mannschaft einsetzbar sind, die jedoch nicht bekannt sind, weil selten danach gefragt wird. Viele Trainerteams sind häufig überrascht, wenn sie es doch mal tun. Ich bin überzeugt, dass sich in jedem Verein und jeder Mannschaft Personen finden, die über IT-, HR-, Grafik- und Fotografie-Kenntnisse verfügen, handwerkliche oder organisatorische Fähigkeiten mitbringen. Es ist viel mehr Know-how vorhanden als vermutet.
Ebenso sollten wir die alten Strukturen überdenken, dass eine Person eine Position ausfüllt. In den heutigen Lebenswelten vieler Eltern, Trainer und Funktionäre ist das kaum umsetzbar. Dann finden sich kaum Ehrenamtliche. Warum nicht in Teams oder Arbeitsgruppen denken? Es finden sich viel eher Unterstützerinnen und Unterstützer, wenn sie die Aufgabe mit anderen teilen und nicht die alleinige Verantwortung tragen.
Ehrenamt gibt es nicht umsonst
Jede Entwicklung braucht eine Investition. Das ist im Ehrenamt nicht anders. Es braucht Zeit, es braucht Menschen, die sich gemeinsam der Sache annehmen, es braucht vielleicht auch Geld für externe Unterstützung, damit sich der Verein weiter entwickeln kann. „Die Rendite wird enorm sein“ hat der Bildungsforscher Professor Heinz Reinders im Kicker-Interview gesagt.
Eben der Gewinn und Mehrwert für sie, Eltern sowie Kinder und Jugendliche ist vielen Vereinen nicht bewusst. Auch wenn Elternarbeit manchmal nach Pflichtprogramm klingt, ist sie kein lästiges Anhängsel des Jugendfußballs, sondern stärkt das Fundament. Die größte Herausforderung liegt darin, das Potenzial in der Elternarbeit zu erkennen und gleichzeitig das Engagement ALLER Parteien entsprechend ihrer Lebenswelten anzupassen. Denn ein starkes Ehrenamt sichert die Zukunft des Amateurfußballs – und stärkt Zusammenhalt, Integration und Werte in der gesamten Gesellschaft.
Foto von Emilio Geremia auf Unsplash

