Wir müssen anders über das Ehrenamt reden. Denn man gibt nicht nur als Trainer und Vorsitzender, man bekommt auch etwas zurück. Zum Beispiel Selbstbildung.
Oft hört man das Wort in Dankesreden, Nachrufen oder einfach auch Berichten. Da opfert sich häufig jemand auf. Für den Verein, für das Team, für die Gesellschaft oder für die Gemeinschaft. Aber ist das eigentlich wirklich so? Ist die Erbringung freiwilliger ehrenamtlicher Tätigkeit ein Opfer? Ich habe fast 30-jährige Erfahrung als Ehrenamtler, ich sehe das anders.
Wer etwas opfert, der übt Verzicht zugunsten eines anderen. Ein Opfer zu sein bedeutet zu leiden. Etwas zu geben, ohne etwas zurückzuerhalten. Meine Erfahrungen sind andere.
Kein Zweifel. Ehrenamtlerinnen geben Lebenszeit hin zugunsten anderer. Als Funktionärinnen, Helfer, Betreuer, Trainerinnen. Aber üben die sie tatsächlich empfindlichen Verzicht? Oder ist es nicht im Ideal- und Normalfall so, dass Ehrenamt durchaus etwas zurückgibt? Wäre dies nicht so, dann wäre es unmöglich, Ehrenamtlerinnen zu finden. So viele Altruisten kann es gar nicht geben.
Tatsächlich gibt das Ehrenamt etwas zurück, das nicht zu kaufen und auch nicht zu bezahlen ist. Und über das wir mehr reden sollten. Es handelt sich um Wertschätzung und Selbstwertgefühl. Es bietet Raum für die Entfaltung und Entwicklung von Persönlichkeiten. Es bietet Raum zur Übernahme von Verantwortung und Selbstverwirklichung, wie es nur wenige reguläre Arbeitsplätze können. Ehrenamt ist eine Schule für Empathie und Gemeinschaftsgefühl. Und somit praktizierte Demokratie.
Ehrenamt ist daher kein persönliches Opfer. Ehrenamt ist eine Form der Selbstbildung, die erst dann zum persönlichen Opfer reduziert wird, wenn keine Wertschätzung anderer Personen gegenübersteht. Wer sich als Ehrenamtler also als Opfer sieht, der vermisst vor allem eines: Wertschätzung.
Und hier liegt der Schlüssel. Dabei geht es letztlich nicht um die Urkunde, den Handschlag oder die Sonntagsrede. Vielmehr müssen Vereine eine Kultur der Wertschätzung etablieren, die täglich gelebt wird. Nur dann werden die Menschen ihr Ehrenamt zufrieden ausfüllen können und sich nicht ausgenutzt fühlen. Nur dann wird es weiterhin gelingen, Ehrenamtlerinnen zu finden, die ihr Amt mit Freude und Überzeugung ausüben.
Und genau dann kann sich ein Verein auch als Anbieter ehrenamtlicher (Bildungs)-Optionen positionieren, der keinen Raum für Aufopferung lässt, sondern als wichtiger gesellschaftlicher Bildungsort und Sozialraum funktioniert.
*Der Autor ist im 23. Jahr als ehrenamtlicher Vereinsvorsitzender und seit dem 1. Oktober 2024 zusätzlich im Halbtag als erster Hauptamtlicher des Vereins dafür zuständig, die Ehrenamtler beim FT Gern (München) zu entlasten und zu unterstützen.
Foto von Emilio Geremia auf Unsplash

