Hartplatzhelden-Kolumne #88: Die jahrelange Phase vor der Euro 2024 hätte genutzt werden können, Fußballplätze zu bauen. Ist nicht passiert, jetzt können wir keine Kinder mehr aufnehmen. Von TIM FROHWEIN
Die Saison unserer U9 hat begonnen. Eigentlich sollte ich voller Vorfreude sein, aber eine Sache macht mich traurig: Wir vom FC Dreistern München mussten nach den Sommerferien wieder einigen Kindern eine Absage geben und sie auf unsere Warteliste setzen. Nicht, weil sie die sportliche Qualität nicht mitbringen – das ist für uns als Trainerteam überhaupt nicht relevant.
Es liegt daran, dass wir schlichtweg die Platzkapazitäten nicht haben. Unsere Bezirkssportanlage ist mit mehr als siebzig Mannschaften die am stärksten ausgelastete Anlage in ganz München, drei Vereine teilen sich drei Kunstrasen- und drei (regelmäßig gesperrte) Rasenplätze. Wenn wir weitere Kinder aufnehmen und damit unseren 23 Kinder umfassenden Kader vergrößern würden, müssten wir eine neue Mannschaft bilden. Und die hätte dann zu unseren Trainingszeiten am Dienstag und am Donnerstag keinen Platz.
Zeitgleich erzählt mir letzte Woche ein vom Land stammender Trainerkollege, dass sie in seinem Heimatverein im Kinderbereich mittlerweile mit vier Vereinen eine Spielgemeinschaft bilden müssen, um eine Mannschaft stellen zu können. Die modernen und wunderbar instandgehaltenen Sportflächen der kleinen Gemeinden werden kaum genutzt. Das bekannte Stadt-Land-Dilemma.
„In der Stadt, wo es viele junge Menschen gibt, fehlen die Sportanlagen, auf dem Land gibt es die, aber es fehlen die Sportler.“ Das hat Rainer Koch 2017 gesagt, damals in seiner Funktion als Präsident des Bayerischen Fußballverbandes und Vizepräsident des DFB. Das ist bald acht Jahre her.
2018 wurde die EURO 2024 nach Deutschland vergeben. Dann hätte jedem klar sein müssen: Es wird in den nächsten Jahren, spätestens aber ab dem Sommer 2024 einen Run auf die Fußballvereine geben. Man hätte längst beginnen können, die sportliche Infrastruktur, gerade in den Städten, zu modernisieren und auszubauen.
Im Herbst 2024 müssen wir konstatieren: Das ist nicht passiert. In den Ballungsräumen werden in ganz Deutschland wieder massenhaft EM-euphorisierte Kinder auf Wartelisten geparkt, gezwungenermaßen. Einfach traurig.
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