Amatuervereine eigene Schuld

Nicht der DFB ist schuld, wir selbst sind es

In vielen Vereinen wird gerne über die da oben gejammert. Doch das passt nicht zusammen mit Punktprämien und Scheinverträgen in der Kreisliga. Von GERD THOMAS

Das Mantra „Der DFB ist schuld“ an den Problemen der Basis habe ich satt. Erstens ist das zu undifferenziert, zweitens sollten wir Amateure uns anders als die sich der Diskussion verweigernden Profis fragen, was unser Anteil ist. Alle wissen, dass die Messlatten auch im Breitensport stetig höher gelegt werden, wenn es um die Bezahlung vermeintlicher Amateure geht. Sicher, es gibt auch in der Landesliga vereinzelt noch Ausnahmen. In Berlin zahlen neben dem FC Internationale noch zwei drei Vereine ihren Spielern kein Geld. 

Aber in der Republik wirken jede Menge Funktionäre, die schon in der Kreisliga Punktprämien oder andere Zuwendungen anbieten, damit Spieler zu ihnen kommen. Oft sind das genau die Vereine, die durch schlechte oder fehlende Jugendarbeit auffallen, kaum Schiedsrichter stellen und sich auch sonst nicht positiv in die Entwicklung des Fußballs einbringen. In den Verbänden fragen sich die Verantwortlichen längst, wie derart unsolidarisches Verhalten sanktioniert werden kann. Aber gerade gegen die kreative Buchhaltung zugunsten mittelmäßiger Kicker ist noch kein Kraut gewachsen.

Wer das ruinöse Spiel nicht mitspielt, verliert jedes Jahr gute Spieler an Vereine, die oft keinen besseren Sport anbieten, aber eben viel Geld zahlen. Wie soll ein Spieler Nein sagen, wenn er ohne ein bisheriges Spiel in der Verbandsliga nun von einem Verein dort 800 Euro im Monat (in der 6.Liga!!!) angeboten bekommt, aber eben auch seine Miete für immer teurer werdende Wohnungen zahlen muss? 

Dass viele Vereine es mit der Abrechnung nicht so genau nehmen, ist nicht neu. Sie spielen mit dem Feuer, wie Durchsuchungen des Finanzamts oder Zolls in Amateurvereinen zeigen. Die weit verbreiteten Scheinverträge oder Schwarzen Kassen führen schon mal zu Verurteilungen. Es gibt eine Art unheilvollen Herdentrieb (schließlich zahlen die meisten anderen auch), die Angst vor Bedeutungsverlust und oft auch fehlende Fantasie, wie man es gesünder anstellen könnte. Die Hartplatzhelden Michi Franke und Tim Frohwein haben mehrfach darauf hingewiesen, wohin die allsommerlichen Wechselarien führen. Leider finden sie sich vermehrt schon bei kleinen Kindern, bei Jugendlichen ohnehin schon seit vielen Jahren, inzwischen auch bei Spielerinnen. Auch da fließt Geld, nur mag niemand darüber reden oder gar dagegen vorgehen. 

Das willkürliche Abwerben hat sogar weitaus schwerere Folgen. Viele Trainer und Jugendleiter sehen nicht mehr ein, sich leidenschaftlich in die Förderung von jungen Fußballern einzubringen, wenn andere die Früchte der Arbeit ernten. Denn je erfolgreicher ihr Engagement ist, desto mehr Spieler werden abgeworben. Wenn aber immer weniger Menschen bereit sind, sich den Strukturen des Kinderfußballs, einer Jugendleitung oder der Organisation von Spiel- und Trainingsbetrieb zu verschreiben, dann finden immer weniger junge Menschen in die Vereine. 

In Berlin drehen nicht nur die kritisierten Nachwuchsleistungszentren, sondern sogar DFB-Stützpunkttrainer am Transferkarussell mit. Sie widersetzen sich offensichtlich wissenschaftlichen Erkenntnissen wie von Professor Arne Güllich https://www.youtube.com/watch?v=cFGrvYb2ctI („Im Fußball gibt es keine Möglichkeit, Talente schon im frühen Alter zu erkennen!“), nicht selten zugunsten ihres eigenen Vereins, bei dem sie den Rest der Woche verbringen. Vom DFB bezahlte Stützpunktchefs finden nichts dabei. 

Geht es hier wirklich um die Ausbildung künftiger Talente? Eher wirken die Stützpunkte wie Abenteuerspielplätze und Präsentierteller für Scouts, oder die sich für solche halten. Nicht wenige dienen sich ahnungslosen Eltern als Berater an, wollen also nur das Beste für die Stars von morgen. Vielleicht liegt in diesem zunehmend kranken System eine der vielen Ursachen für die abnehmende Qualität des deutschen Fußballs. 

Das nicht gerade kollegiale Klima, vor allem in den Ballungsräumen, führt zu mehr Rivalität. Viele Akteure begegnen sich in tiefer gegenseitiger Abneigung, stilisieren Spiele gegeneinander zu Prestigeduellen. Wieder andere schrecken nicht vor Manipulationen zurück, indem Spieler eingesetzt werden, die gar nicht auf dem Spielbericht stehen. Vor dem Sportgericht versucht mancher, das Strafmaß der Beschuldigten durch kreative Behauptungen zu mindern. 

Und manchmal pfeift der Vorsitzende des Vereins das Spiel für den fehlenden Schiedsrichter – es gibt einfach viel zu wenige Unparteiische –, dann entstehen komische Ergebnisse. Wen wundert da noch die zunehmende Aggressivität auf den Plätzen? Kann sein, dass die schweren Straftaten gar nicht stark zugenommen haben, wobei der tragische Tod eines Berliner Spielers bei einem Turnier in Frankfurt eine besondere Dramatik darstellt. 

Was aber eindeutig festzustellen ist: Der gegenseitige Respekt lässt zunehmend nach. Erfahrene Trainer beklagen den Trash Talk beim Training, zunehmende Diskriminierungen und schwindende Verantwortung. Das alles auf die Pandemie zu schieben, wäre zu einfach. Auch vor Corona waren behindertenfeindliche Sprüche im Repertoire vieler Kids, um ein Beispiel zu nennen. 

Gleichzeitig ist der Anspruch vieler Eltern bemerkenswert. Viele erwarten, dass Trainer sich mit Gewalt- und Diskriminierungsprävention top auskennen, pädagogische Höchstleistungen erbringen, total freundlich und verständnisvoll sind, eine gute bis sehr gute Trainerlizenz haben, aber natürlich alles ehrenamtlich machen. Schon mal nachgedacht? Auf die Krise des Ehrenamts in Zeiten des Fachkräftemangels bin ich in meiner Kolumne mehrfach eingegangen. Das Thema wird uns leider erhalten bleiben.

Teil 2 dieser Kolumne folgt.

Gerd Thomas

Gerd Thomas

Gerd Thomas ist seit 2017 Erster Vorsitzender (seit 2003 im Vorstand) des FC Internationale Berlin. 2013 zeichnete der DFB den Verein mit dem Integrationspreis aus.

Share this post

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Christian

    Dem kann man nur zustimmen, da spielt es auch keine Rolle ob Berlin oder sonst wo.
    Bei uns im Harz läuft es genau so.

    Sichtungen der Jungen Spieler finden gar nicht mehr statt, da werden Trainer über 3. informiert sie sollen doch Mal 3-4 Spieler zum Sichtungs Training zum Stützpunkt schicken. Macht man es sind es genau die Kinder die wenig Beachtung bekommen und am Ende ne Abfuhr mit „reicht leider nicht“.

    Die Kinder die dort bleiben kommen zu 90% aus genau den Vereinen wo die Stützpunkttrainer selbst her kommen.

    Ein Trauerspiel was auf Deutschen Fußball-Plätzen abgeht.

Schreibe einen Kommentar