Hartplatzhelden-Kolumne # 66: In der Schlussphase der Saison geht es für die einen um alles. Die anderen nutzen sie für die Entwicklung der Mannschaft und nehmen Niederlagen in Kauf. Dieses Dilemma ist gar nicht so einfach zu lösen. Von MICHAEL FRANKE

Da ist sie also wieder: die Schlussphase der Saison, neudeutsch „Crunchtime“. Einzelne Spiele werden plötzlich zur Schicksalsfrage. Jeder Punkt zählt, wenn es um Auf- oder Abstieg geht. In den betroffenen Teams geht es rund. Da werden schnell noch Trainer getauscht oder Spieler aus dem Ruhestand reaktiviert. Es ist die intensivste Phase der Saison. Wenn es unklar ist, wohin es nächstes Jahr geht. Auch wenn es im Amateurfußball weder um ligenabhängige Sponsoren oder TV-Gelder geht – jede und jeder möchte gerne auf-, niemand möchte absteigen.

Letztlich sind von diesem Druck in der Regel nur wenige Teams betroffen. Manche stehen bereits als Auf- oder Absteiger fest. Andere rangieren im Niemandsland der Tabelle. Dort stellt sich die Frage, wie man mit der frühzeitigen Erreichung des Klassenerhalts umgehen kann.

Ohne Druck das Spiel erleben – als Spieler habe ich diese Spiele immer genossen. Und als Trainer nutze ich sie gerne. Spiele mit Wettbewerbscharakter, in denen man mal was probieren kann, in denen plötzlich das Spiel und nicht das Ergebnis im Vordergrund steht, sind für den Jugendcoach eine wunderbare Angelegenheit.

Das Problem: Trifft man in einer solchen Situation auf Teams, für die es um alles geht, wird es kompliziert. Ist es unsportlich, sich personell bereits auf die Folgesaison vorzubereiten, und die Aufstellung entsprechend anzupassen? Ist es unsportlich, neue taktische Abläufe im Wettkampf zu testen? Ist man verpflichtet, immer mit der aktuell besten Mannschaft anzutreten? Oder darf ich als Trainer die langfristige Entwicklung im Blick haben? Wird ein Dritter Opfer meiner Experimente, betreibe ich Wettbewerbsverzerrung?

Das ist schwierig zu beantworten. Denn es ist selbstverständlich, dass die Konkurrenz von allen Teams vollen Einsatz bis zum Ende erwartet. Andererseits ist es legitim, eine gesicherte Position sinnvoll für die eigene Entwicklung zu nutzen. Eindeutige Lösungen gibt es aus meiner Sicht keine. Oft hilft nur ein Kompromiss, auch das lernt man im Fußball.

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