Fußball lebt wie kaum eine andere Sportart vom Engagement der ehrenamtlich Tätigen. Trainer, Schiedsrichterin, Platzwart, Vorstand, Jugendleiterin, Teammanager, Linienrichter, Kassiererin. Ehrenamt heißt, zuverlässig Zeit und Energie einzubringen, ohne finanziell entschädigt zu werden. Im Regelfall wird nicht einmal der Aufwand ersetzt. Und das ist so, weil es immer schon so war.
Wir haben aber ein gesellschaftliches Umfeld, das sich in enormer Dynamik entwickelt. Flexible Arbeitszeiten, permanente Erreichbarkeit, steigende Lebenshaltungskosten ändern die Voraussetzungen für Ehrenamtler massiv. Sich zu festen Zeiten unentgeltlich zuverlässig zu engagieren, ist häufig nicht mehr möglich. In den Ballungszentren wird die freibleibende Zeit oft genutzt, um ein notwendiges Zusatzeinkommen zu erzielen.
Das Ehrenamt der alten Prägung steht also am Scheideweg. Dazu kommen die ständig steigenden Ansprüche der Mitglieder an Menschen und Infrastruktur. Ein Spagat, den viele Vereine gerade noch hinbekommen, der aber in absehbarer Zeit scheitern wird.
Diese Erkenntnis beschäftigt uns in meinem Heimatverein, der FT Gern in München, seit längerer Zeit. Waren es früher primär infrastrukturelle strategische Themen, wie Kunstrasenplatz, Kabinen, die uns beschäftigten, geht es inzwischen an den Kern unseres Tuns: den Fußballverein als Struktur.
Welche Strukturen muss ein Fußballverein haben, um auch künftig im Wettbewerb mit professionellen Sportanbietern, aber auch dem E-Sport mitzuhalten? Ist die primäre Ausrichtung nach Leistung das, was die aktiven Mitglieder wollen? Ist die Funktionärsriege überaltert? Wenn ja, wie kann das geändert werden? Soll unser Fußballverein ein Mehrspartenverein werden? Erreicht unsere Kommunikation alle Mitglieder? Müssen wir uns personell professionalisieren? Wenn ja, wie ist das zu finanzieren? Spiegelt sich die extrem heterogene Gesellschaftsstruktur des Umfelds in München in unserem Verein wider? Vor allem: Was wollen die Mitglieder wirklich?
Um eine fundierte wissenschaftliche Basis zu schaffen, veranlassten wir zuerst die Erstellung einer Masterarbeit zum Thema Vereinsentwicklung der FT Gern. Danach stellte sich die Frage, ob wir es mit internen Kräften schaffen, konkrete Handlungskonsequenzen abzuleiten, oder ob wir auf die Hilfe eines externen Partners zurückgreifen sollten.
Wir entschieden uns, einen externen Partner begleitend einzubinden, die junge Agentur Scalisto Sports, da dieses grundlegende Kernthema ein erhebliches Veränderungspotential enthält, das für die erfolgreiche Umsetzung zwingend die Unterstützung von außen benötigt. Nachdem Patrick Eckl, der die hervorragend benotete Masterarbeit verfasst hatte, ebendort in sein Berufsleben gestartet war, lag diese Wahl auf der Hand. Die Jungs von Scalisto sind selbst Fußballer und bringen Stallgeruch und Motivation für dieses Thema mit.
Mit diesem Fundament im Rücken werden wir nun gemeinsam in den kommenden Wochen versuchen, möglichst viele Mitglieder einzubinden, Ideen zu sammeln und zu bewerten, um am Ende den Verein strategisch in eine Richtung zu entwickeln, die vom Großteil vor allem der aktiven Mitglieder auch getragen wird. Auch wenn es uns die Pandemie nicht einfach macht, ist es unser Ziel, bis zum Ende des ersten Quartals konkrete Ergebnisse auf dem Tisch zu haben.
Im Anschluss werde ich in einer weiteren Kolumne von den Erfahrungen berichten.
Michael Franke
Michael Franke ist Erster Vorsitzender der FT München-Gern. 2018 hat er die Interessengemeinschaft Sport in München mitgegründet.