Scouts stehen sich auf den Füßen

Talentspäher gab es schon immer im Fußball, doch mittlerweile schadet das Rennen um die Talente den vielen kleinen Vereinen und gefährdet deren Zukunft. Von MICHAEL FRANKE

Scouts gab es im Fußball schon immer, auch wenn sie füher anders hießen – Talentspäher zum Beispiel. Ein guter Jahrgang eines Amateurvereins zog schon immer die Scouts der großen Vereine aus der Umgebung an. Die pickten sich den einen oder anderen Spieler heraus, oft schon im Altersbereich U12. Als kleiner Verein waren wir darauf auch stolz. Spieler, die uns verließen, wurden beim Sommerturnier mit einem kleinen Pokal und großem Applaus verabschiedet. Und nicht wenige kamen später wieder zu Besuch oder sogar auch aktiv wieder zurück. Philipp Lahm, der 1995 elfjährig zum FC Bayern wechselte und eine Weltkarriere einleitete, hat nie die Bindung zu unserem Verein verloren.

Alles war irgendwie gut, doch aus heutiger Sicht mutet diese Erinnerung an wie aus einem anderen Jahrhundert. Bis vor ein paar Jahren war die regionale Vereinsstruktur recht einfach in München. Es gab drei Nachwuchsleistungszentren (NLZ), nämlich 1860, FC Bayern, Unterhaching, sowie einige wenige mittelgroße Vereine, die sich wiederum die NLZ-Abgänger schnappten, um in möglichst hochklassigen Amateurligen zu spielen.

Mittlerweile scouten aber in München nicht nur die NLZs, sondern es werben erklärte Leistungsvereine mit NLZ-artiger Ausprägung aktiv um Spieler. Zudem übernehmen kommerzielle Fußballschulen Jugendabteilungen und werben ebenfalls aktiv. Und sportlich überregional ambitionierte Vereine bekommen längst nicht mehr automatisch die NLZ-Dropouts. Auch sie müssen aktiv um die Spieler der kleineren Vereine werben. Und es gibt auch noch die sogenannten Projektteams der Fußballschulen in Vereinen, die natürlich auch eine Anziehungskraft im Umfeld erzeugen. Die Nahrungskette im Fußball ist länger und länger geworden.

Diese Gemengelage führt dazu, dass ein sehr dynamisches Rennen um die hoffnungsvollen Talente stattfindet. Scouts aller Art stehen sich auf den Fußballplätzen der Region praktisch auf den Füßen. Ein mir persönlich bekannter Scout berichtete mir, dass viele Spieler mittlerweile genervt auf seine Ansprache reagieren. „Du auch noch …“ Vermutlich werden auch schon Scouts gescoutet.

Diese Entwicklung verursacht vor allem bei den vielen kleinen Vereinen für erhebliche Orientierungsprobleme, zumal sich das Scouting mittlerweile auch auf ambitionierte Jugendtrainer erweitert hat. Es stellt sich die Frage, wie ein normaler Stadtteilverein auf diese Entwicklung reagieren kann, um weiterhin attraktiv für Spieler und Ehrenamtler zu sein. Zumal die Qualität der sportlichen Strukturen (Infrastruktur, Trainer) am Ende auch eine finanzielle Dimension bekommt, die ein normaler Stadtviertelverein kaum stemmen kann.

Wir sind in unserem Verein aktuell auf der Suche nach der Antwort.

Michael Franke

Michael Franke

Michael Franke ist Erster Vorsitzender der FT München-Gern. 2018 hat er die Interessengemeinschaft Sport in München mitgegründet.

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