Mein kleiner Bruder wird im nächsten Jahr 32. Damit hat er im Amateurfußball die Rentengrenze erreicht. Zumindest in Bayern ist er ab dem Kalenderjahr, in dem er seinen 32. Geburtstag feiert, für die „Alten Herren“ spielberechtigt. Als ich ihn kürzlich über diesen Umstand informierte, konnte ich förmlich sehen, wie das Leuchten in seinen Augen schwächer und der graue Star stärker wurde.
Wir leben in der Epoche des Umbenennens. Die Hauptschule heißt heute Mittelschule, das Z-Schnitzel steht inzwischen als „Schnitzel nach Balkan Art“ auf der Karte. Warum aber werden Amateurkicker in ihren besten oder zumindest noch ziemlich guten Jahren eigentlich nach wie vor „Alte Herren“ genannt? Als Spielertrainer einer Ü-32-Mannschaft habe ich damit wirklich ein Problem. Fast alle meiner Mitspieler sind fit – von „Wampe statt Wadeln“ keine Spur! Einzig ihre Lebenssituation weist sie als Angehörige einer erwachseneren Gruppe aus: Die meisten haben Kinder; Ausbildung oder Studium liegen weit zurück. Vor allem deshalb ist für sie das Kicken in der Münchner Seniorenrunde – nicht zu verwechseln mit der Münchner Seniorenbörse, einer Begegnungsstätte für Menschen ab 55 – so attraktiv: Die Spiele finden ausschließlich unter der Woche am Abend und außerhalb der Ferien statt, was mit Familien- und Berufsleben gut vereinbar ist.
Der Altherren-Fußball braucht ein „Rebranding“, aktuell gebräuchliche Bezeichnungen und Image werden der Realität dieses Sports einfach nicht gerecht. Vielleicht würden Fußballvereine in Deutschland, die den seit Jahren belegten Nachwuchsrückgang immer stärker zu spüren bekommen, dann der Ü30-Zielgruppe auch mehr Aufmerksamkeit schenken. Denn bedenkt man den demografischen Wandel, das gesteigerte Gesundheitsbewusstsein der Gesellschaft und das zunehmende Verschwinden harter, körperlicher Arbeit aus der Berufswelt, steckt im Ü-Bereich für die Vereine ein enormes Potenzial.
Mit Angeboten für Ältere könnten die Vereine darüber hinaus nicht nur zahlende, sondern auch engagierte Mitglieder gewinnen. Die Spieler bringen oft die richtigen Voraussetzungen mit, um irgendwann auf die Funktionärsseite zu wechseln. Oder sie steigen als Jugendtrainer ein und bringen den eigenen Nachwuchs gleich mit.
Einen weiteren Punkt hat mir Helmut Wagner, einer der Pioniere des organisierten AH-Fußballs in Deutschland und Betreiber der Website www.ah-fussballportal.de, kürzlich in einem Gespräch mitgegeben: „Bei den Ü-Mannschaften stehen der Spaß am Sport und die Geselligkeit viel stärker im Mittelpunkt. Außerdem läuft dort kein Spieler mehr dem Geld hinterher, so wie es leider in so vielen Amateurligen im Herrenbereich mittlerweile der Fall ist.“
Altherren-Fußball ist vielerorts ehrlicher und ehrgeiziger Sport – jetzt müssen wir nur einen Namen finden, damit auch Leute wie mein Bruder Lust bekommen, dort zu spielen! Vorschläge bitte ins Kommentarfeld.