Die Weltmeisterschaft in der Wüste rückt näher. Vielen ist nicht wohl in der Haut. Einerseits sind nasskalte Herbstabende wie gemacht für ein Treffen mit Freunden, um sich Spiele gemeinsam fachsimpelnd anzusehen. Auf der anderen Seite finden wir es mit unserem westzentrierten Blick natürlich nicht gut, wenn es kein Public Viewing auf der Straße gibt, Spielstätten hinterher ungenutzt bleiben, und dann gibt es ja auch noch die Menschenrechte. Nun gibt es nichts zu relativieren, vieles wirkt wie aus unserer Zeit gefallen. Hier reden alle über Nachhaltigkeit, und dort werden die Stadien gekühlt. Wobei eben vor allem geredet und wenig gehandelt wird. Denn nachdem die DFL angekündigt hat, soziales und ökologisches Handeln, ja sogar eine verantwortungsvolle Unternehmensführung würden nun Lizenzkriterien werden und auf der Spobis dankenswerterweise ein Award für Nachhaltigkeit im Sport verliehen wurde, ist nicht mehr viel passiert, mal abgesehen von einer Vielzahl Podcasts.
Wie können wir unseren Beitrag leisten, gleichzeitig den Amateurfußball fördern? Wir forsten gerade den WM-Spielplan nach Alternativen durch, denn der Ball im Amateurfußball wird weiterrollen, wenn die WM läuft. So spielt am 2. Dezember Deutschland gegen Costa Rica, zeitgleich wird aber auch das Spiel unserer Ü60 zwischen dem FC Internationale und Hertha Zehlendorf angepfiffen. Die zweite Halbzeit könnten wir noch gemeinsam anschauen. Am Eröffnungstag der WM spielen unsere Frauen gegen Hansa 07 (und zwar inklusive eines Statements zu Katar). Jeder Amateurverein kann nachsehen, welches Alternativ- oder Begleitprogramm zum WM-Spielplan möglich ist. Lasst eurer Kreativität freien Lauf! Ob ihr Diskussionsveranstaltungen organisiert, Stellungnahmen abgebt oder in Sondertrikots auflauft.
Wobei das mit den Trikots schon wieder so eine Sache ist. Denn bei der Nachhaltigkeit (mit diesem Thema hat sich der DFB erfolgreich für die Euro 2024 beworben) geht es nicht zuletzt auch um Verzicht. Ob die Sponsoren das auch so sehen, darf bezweifelt werden. Vereinsvorstände sollten aber überlegen, ob es wirklich jedes Jahr neue Trikots braucht. Natürlich nicht, selbst alle zwei Jahre nicht. Trägt man sie länger, wäre das ein doppelter Beitrag, nämlich zur ökologischen und zur ökonomischen Nachhaltigkeit.
Alle Amateurvereine sollten schon jetzt überlegen, was ihr Beitrag zur Euro sein kann. Überprüft eure Infrastruktur, ob LED-Lampen, Solarzellen oder Warmwasserregler vorhanden sind. Fragt bei eurem Sportartikelhändler nach Fairtrade-Bällen (die oft besser als die herkömmlichen sind), überprüft euer Catering, ob ihr nicht Essen und Getränke aus der Region beziehen könnt und fördert den Jugendfußball! Sorgt dafür, dass Mädchen und Frauen spielen können und gute Trainingszeiten erhalten, schafft Modelle zur Teilhabe aller, auch denen aus nicht privilegierten Familien! Schafft Bedingungen für diskriminierungsfreien Sport, für internationalen Austausch, für Begegnung von jung und alt, sucht dafür Partner vor der Haustür! Das alles bedeutet nachhaltiges Handeln. Das alles kann der Fußball. Da Geld bei der Umsetzung der Pläne nötig ist, holt auch die lokale Politik und die ansässigen Unternehmen im Sinne einer echten Solidargemeinschaft
mit ins Boot und schafft Win-Win-Situationen!
Aber nehmt auch Einfluss auf die Sportverbände auf Landes- oder Kreisebene! Teilt ihnen eure Ideen für eine soziale und ökologische Euro mit, fordert sie auf, das „nach oben“ weiterzutragen! Vor einigen Wochen besuchte uns der neue DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Wir sprachen vor allem über Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung des Fußballs, aber auch über Partizipationsprozesse und ein gerechteres Zusammenspiel von Profis und Amateuren.
Ich habe Bernd Neuendorfs Vorgänger kennengelernt, noch nie habe ich so viel Offenheit und Ernst für unsere Themen wahrgenommen wie bei ihm. Er wird sich an Erfolgen messen lassen müssen. Aber wir sollten ihm zeigen, dass wir alle ein Interesse an den 17 UN-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung haben. Sie sind im Sinne eines gerechteren, handlungsfähigeren und solidarischeren Fußballs. Dagegen kann niemand etwas haben, oder?
https://www.plan.de/sdg-nachhaltige-entwicklungsziele.html
https://www.inter-berlin.de/news/1/771561/nachrichten/sponsors-interview-mit-gerd-thomas,-vorstand-fc-internationale-berlin-(ungek%C3%BCrzte-version).html
Gerd Thomas
Gerd Thomas ist seit 2017 Erster Vorsitzender (seit 2003 im Vorstand) des FC Internationale Berlin. 2013 zeichnete der DFB den Verein mit dem Integrationspreis aus.