Der Untergang des Fußball-Abendlandes scheint eingeleitet. Der DFB wechselt ab 2027 von Adidas zu Nike, von der deutschen Traditionsmarke nach Amerika. Fußballexperten quer durch alle Parteien empören sich über fehlenden Standortpatriotismus (Robert Habeck) über die Vernichtung der Heimat (Adidas-Role-Model Karl Lauterbach), bis hin zur Bezeichnung „amerikanische Fantasiemarke“ für einen Weltmarktführer (Boris Rhein).
Markus Söder aus dem Wahlkreis direkt neben Herzogenaurach schreibt: „Deutscher Fußball ist Heimat pur – und kein Spielball internationaler Konzernkämpfe.“ Ach, so! Und der FC Bayern ist ein Regionalverein ohne wirtschaftliche Interessen oder was? Die Rechtsextremisten von der AfD werden sicher die Bauern zum Mistabladen vor der DFB-Zentrale aufrufen.
Doch ich freue mich. Die Marke ist mir egal. Ob Adidas oder Nike – beide lassen in Südostasien produzieren, nehmen auf Menschenrechte und Nachhaltigkeit keine Rücksicht und machen hinter den Kulissen Sportpolitik. Aber bald ist viel mehr Geld da, mit dem man Gutes tun kann.
Worüber Söder und Habeck nicht reden: Es gab erstmals eine „diskriminierungsfreie Ausschreibung“ beim DFB, in die alle Anbieter eingeweiht waren. Marko Klevenhagen von der Zeitschrift Sponsors beschreibt der stets gut informierten Marina Schweizer im Deutschlandfunk die Mechanismen und gratuliert dem DFB zur Entscheidung.
Ich schließe mich an. Denn was wäre passiert, wenn der DFB sich aus Gefühlsduselei für das nur halb so lukrative Angebot von Adidas entschieden hätte? So schon einmal vor vielen Jahren, als der Kaiser noch lebte. Der Verband blieb beim Partner aus Herzogenaurach, vielleicht weil die meisten Landesverbände bei Adidas unter Vertrag stehen, und verzichtete auf riesige Summen, die damit auch dem Amateurfußball vorenthalten wurden.
Für uns als Vertreter der Amateure wird es jetzt interessant, weil der DFB verlautbart, dass ein großer Teil der deutlich höheren Erlöse in den Amateurfußball fließen sollen. Dieses Versprechen muss der DFB halten – und er muss konkreter werden. Was genau stellen sich DFB und Nike vor, wenn sie mitteilen, den „deutschen Fußball bis 2034 in seiner Gänze fördern“ zu wollen? Wir Hartplatzhelden haben Ideen, was man mit dem vielen Geld machen könnte, und werden diese auch kundtun.
Als erstes wird der DFB das in den letzten Jahren angerichtete finanzielle Desaster in den Griff bekommen. Die überteuerte Akademie, die Nebenwirkungen um das Sommermärchen, inklusive drohendem Verlust der Gemeinnützigkeit, die Reisen und Spesen vieler Funktionäre. Müssen Vizepräsidenten des DFB wirklich mehr als 50.000 Euro pro Jahr für ein Ehrenamt beziehen?
Angesichts dieser Finanzeskapaden wünsche ich mir mehr Aufsichtspflicht durch unsere Landesfürsten, die seit vielen Jahren in den Beiräten und im Präsidium des DFB sitzen. Entsendet von ihren Vereinen an der Basis, denn diese wählen sie. In manchen Ballungsräumen direkt, in flächenreichen Regionen über Bezirksdelegierte, die wiederum von den Vereinen beauftragt wurden.
Die Herren – es gibt keine gewählte Landesvorsitze – sind also höchst demokratisch in ihr Amt gekommen. Doch wer kontrolliert, was sie beim DFB veranstalten? Es gibt kaum Vorgaben durch die Vereine, nach der Wahl sind die Präsidenten frei in ihrem Handeln.
Mit diesem System ist der DFB zu einem Sanierungsfall geworden. Die Last tragen die Vereine an der Basis. Dort steigen die Gebühren: für Schiedsrichter, für das Pass- und Meldewesen, für Strafen, für fehlerhaftes Ausfüllen der Spielberichte. Manche halten das für Abzocke.
Wie man das Geld verteilt, darüber muss nun diskutiert werden. Direkte Förderungen an Vereine sind selten, das Geld geht in der Regel an die Landesverbände, die dann über die Verwendung entscheiden. Ich habe beim letzten Berliner Verbandstag an die Vereine appelliert, sich auf höhere Verbandsbeiträge einzurichten und ihrerseits die Mitgliedsbeiträge in den eigenen Vereinen anzuheben. Schließlich ist es der Verband der Vereine. Aber ich bin auch sehr für mehr Transparenz und Partizipation. Genau hier tun sich viele Landesverbände schwer, wohlwissend, dass sie von der Basis nicht viel Widerspruch und Fragen zu erwarten haben.
Nun wird der Nike-Deal viele Begehrlichkeiten wecken. Gut, dass die offenen Rechnungen des DFB nun leichter beglichen werden können. Eine Insolvenz kann keiner wollen. Aber bevor das weitere Geld mit offenen Armen aus dem Fenster geworfen wird, hätte ich einen Vorschlag: Warum nehmen wir nicht jedes Jahr zehn Prozent des Geldes von Nike und bringen eine Strukturreform des deutschen Fußballs auf den Weg?
Mehr Demokratie wagen, mehr Partizipation, mehr Innovation. Im politischen Kontext gibt es keine Fürstentümer mehr, also schaffen wir sie auch im Fußball ab. Es gibt viele gute und ernstzunehmende Beratungsunternehmen, die für eine Modernisierung zur Verfügung stünden. Es müssen ja nicht die üblichen Verdächtigen sein, die bereits gezeigt haben, dass sie es nicht können.
Gerd Thomas
Gerd Thomas ist seit 2017 Erster Vorsitzender (seit 2003 im Vorstand) des FC Internationale Berlin. 2013 zeichnete der DFB den Verein mit dem Integrationspreis aus.
Dieser Beitrag hat einen Kommentar
Gerd Thomas hat recht. warum können nicht z.B. die Schiedsrichterkosten der Vereine, die ihr Soll erfüllt haben, vom DFB übernommen werden?