Die Tennisbälle haben gewirkt. Die Fans haben mit ihrem Protest gesiegt, die DFL hat die Investorensuche endgültig abgebrochen, das gab der Verband am Mittwoch bekannt. Sie haben den Ausverkauf der Bundesliga gestoppt. Und indirekt und unbewusst haben sie auch uns Amateuren geholfen.
Denn der Favorit der DFL, das Private-Equity-Unternehmen CVC, hatte es in sich. Es besitzt nämlich die Mehrheit an Wettanbietern, zum Beispiel an Tipico. Die ruinieren viele Leben. Laut dem Gesundheitsministerium weisen etwa 1,3 Millionen Personen im Alter von 18 bis 70 eine glücksspielbezogene Störung auf. Wetten auf Fußballspiele spielen dabei eine erhebliche Rolle.
https://politik.watson.de/sport/vor%20ort/474857593-tipico-in-der-bundesliga-drogenbeauftragter-sucht-wege-gegen-sportwettensucht
Es sind in der Regel Fußballfans, die auf Spiele wetten. Sehr viele von ihnen sind Mitglied und Spieler in Amateurvereinen (bleiben wir bei der männlichen Schreibweise, denn vor allem sind es die Herren der Schöpfung, die wettsüchtig sind). Eigentlich soll nicht auf Amateurspiele gewettet werden, was aber dennoch passiert. Vor einigen Jahren spielten wir mit dem FC Internationale im Pokal gegen einen Oberligisten. Und siehe da, das Spiel stand auf dem Wettzettel. Wir haben das Spiel damals 1:4 verloren, aber es wäre ein Leichtes gewesen, sich gemeinsam mit dem Gegner eine Stange Geld zusammenzuwetten.
Bewiesen wurde es nie, doch den Verdacht gab es mehrfach.
https://www.zeit.de/sport/2013-09/manipulation-fussball-amateure-berlin
Inzwischen stehen sogar Jugendteams auf dem Tippschein. Die Verlockung, ein Spiel absichtlich zu verlieren, um Kasse zu machen, ist groß. Die Wettanbieter beteuern, dass sie Frühwarnsysteme haben, um Manipulationen zu vermeiden. Aber welches Interesse sollten sie daran haben, Menschen vom Wetten abzuhalten? Den Fanprotesten ist daher zu danken, auch wenn die Wetten bei den Protesten nicht im Vordergrund stehen.
Wir haben bei uns im Verein vor einigen Jahren zum Thema ein Gespräch mit einer Jugendmannschaft geführt, die meisten Spieler waren um die 17. Natürlich hat uns niemand gestanden, er würde wetten. Aber alle waren erstaunlich gut informiert. Und sie wussten von Freunden, die in finanziell schwierigsten Situationen steckten, sich die Nächte mit Sportwetten um die Ohren schlugen.
Besonders auffällig: Alle hielten sich für Experten. Schließlich spielten sie selbst Fußball, konnten also verlässlich einschätzen, wie ein Spiel bei den Profis ausgehen würde. Manipulation konnte sich niemand vorstellen. Der Name Vlado Kasalo sagte ihnen nichts, auch zu Café King fiel ihnen nichts ein.
Ich erinnere mich an einen anderen Fall. Ein Jugendtrainer war am Samstag nach den Bundesligapartien außer Rand und Band. „Jetzt muss nur noch Gladbach in Dortmund gewinnen, und ich habe 2.500 Euro.“ Seine jugendlichen Spieler waren fasziniert, ich weniger, was ich ihm gegenüber sehr deutlich zum Ausdruck brachte.
Ich habe derlei Auftreten von ihm nie wieder gesehen, ich schätze den Kollegen außerordentlich. Meine Intervention scheint also gefruchtet zu haben. Vielleicht wiederholte er sein Verhalten aber auch nur deswegen nicht, weil Gladbach nicht gewann – und er eben auch nicht. Wie auch immer: Wir müssen unserer Verantwortung gegenüber jungen Menschen gerecht werden. Beim Kinder- und Jugendschutz dürfen wir uns weder auf Investoren wie CVC noch auf die DFL verlassen.
Gerd Thomas
Gerd Thomas ist seit 2017 Erster Vorsitzender (seit 2003 im Vorstand) des FC Internationale Berlin. 2013 zeichnete der DFB den Verein mit dem Integrationspreis aus.