Wir haben diese Woche beim Training diesen Satz gehört: “Warum haben wir uns alle so angestrengt, wenn das eh nichts nützt?” Die Kinder verstehen nicht, warum sie mindestens einen Monat lang nicht Fußball spielen dürfen, wie es die neueste Verordnung der Kanzlerin und der Ministerpräsidenten will, obwohl sie sie sich die letzten Monate an die Regeln gehalten haben. Die Glaubwürdigkeit der Maßnahmen sinkt bei den Kindern und Jugendlichen extrem. Wir haben alle erlebt, wie viele nach dem ersten Lockdown das Training wieder geschätzt haben. Ihnen das nun wieder wegzunehmen, gäbe ihnen das Gefühl, dass alle Anstrengungen, die wir gemeinsam mit ihnen unternommen haben, nichts gebracht haben. Das Virus ist vielleicht noch lange da und die Kinder sollen lernen, mit ihm zu leben.
Wir Trainer und Vereine teilen die Maßnahmen der Politik nicht. Der Amateurfußball muss selbstverständlich seinen Beitrag zur Pandemiebekämpfung leisten, doch jede Einschränkung muss gut begründet sein. Das Infektionsrisiko beim Fußball, ob Training oder Spiel, ist aber nach allem was Virologinnen, Experten und Gesundheitsämter sagen, sehr gering. Im Freien ist das Infektionsrisiko, im Gegensatz zur Halle, nun mal niedrig, dank geringer Erregerkonzentrationen und einer schnellen Aerosolverdünnung. Zudem sind enge Kontakte selten und zumeist von sehr kurzer Dauer. Bei Fahrten zu Auswärtsspielen sollte man vorsichtig sein, doch uns ist kein Fall bekannt, in dem die Ansteckung auf dem Fußballplatz stattgefunden hat.
Das Fußballverbot und das Sportverbot an der frischen Luft sind also auch für Erwachsene zweifelhaft, doch die können das wegstecken. Vor allem können jedoch die Folgen für Kinder und Jugendliche fatal sein, insbesondere wenn der Lockdown länger anhält oder wiederholt oder durch die Winterpause auf ein Vierteljahr gestreckt wird. Wir wissen nicht, ob es bei einem Monat bleiben wird.
Viele Kinder werden unausgeglichen und mit zu viel Gewicht zum Fußball zurückkehren. Womöglich kehren einige gar nicht wieder. Die kalte Jahreszeit und die trüben Aussichten könnten Eltern veranlassen, ihre Kinder aus dem Verein abzumelden. Wenn sie dann nicht wieder mit dem Sport anfangen, werden wir Defizite im Sozialverhalten erleben, Freundschaften gehen verloren, und natürlich zieht eine lange Pause gesundheitliche und motorische Einschränkungen nach sich. Schon der erste Lockdown im Frühjahr führte zur Entfremdung vom Fußball und zur Lustlosigkeit.
Angela Merkel gibt zu verstehen, dass von Kitas und Schulen kein erhöhtes Risiko ausgeht und sie deshalb offen bleiben. Dann muss dies auch für sportliche Betätigung der gleichen Gruppen an der frischen Luft gelten. Aus unserer Sicht sollte daher der komplette Jugendbetrieb bis einschließlich U19 ganz normal weiter laufen – gerne ohne Zuschauer und Eltern am Spielfeldrand, das ist ohnehin manchmal besser. Mecklenburg-Vorpommern hat ja den Trainingsbetrieb bis 18 Jahre erlaubt, Berlin bis 12.
Auch in den anderen Ländern sollte es wieder erlaubt sein, wenigstens in Kleingruppen Outdoor-Sport zu treiben, wie es mancherorts im Mai praktiziert wurde. Umkleidekabinen bleiben dagegen geschlossen, und nach dem Training oder dem Spiel müssen alle das Gelände sofort verlassen.
Die bisherigen Hygieneregeln waren gut. Es gab natürlich auch im Amateurfußball schwarze Schafe, die auf sie pfiffen. Man sollte sie mit Punktabzug bestrafen. Doch bei Kindern ist das anders. Erstens fällt weg, was bei den Erwachsenen schon zu Infektionen geführt hat: das Biertrinken in der Kabine, das gesellige Drumherum. Zweitens haben sich gerade Kinder sehr gut an die Vorschriften gehalten.
Wir haben die große Sorge, dass manche Kids im dunklen Winter großen Schaden nehmen. „Am ersten Trainingstag nach dem Stillstand blickte ich in blasse, von dicken Augenrändern gezeichnete Gesichter von 10- und 11 Jährigen”, schrieb Younis nach dem Neustart im Sommer. „Die hatten wohl zwei Monate keine Sonne gesehen.”
Wir wissen noch immer nicht, was zwei Monate Smartphone-Nutzung von acht bis zwölf Stunden pro Tag mit jungen Menschen machen. Und wir möchten es nie erfahren. Wir wollen es auch nicht wissen. Daher fordern wir, die Kolumnisten der HARTPLATZHELDEN, die Politik auf, das Fußballverbot für Kinder und Jugendliche so schnell wie möglich aufzuheben.
Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
Ja was denn nun? Entweder „Wir haben alle erlebt, wie viele nach dem ersten Lockdown das Training wieder geschätzt haben.“ oder „Schon der erste Lockdown im Frühjahr führte zur Entfremdung vom Fußball und zur Lustlosigkeit.“
Und nein, Merkel sagt nicht, dass Kitas und Schulen etwa „unbedenklich“ wären. Vielmehr sind sie wichtig. So wichtig, dass Querschnittskontakte, wie Vereine, Kino, Jungscharen, etc. eingeschränkt werden, damit nicht gleich drei Schulen dicht machen müssen, wenn in einem Verein die Kids sich angesteckt haben. In Schulen werden Klassen als „Schicksalsgemeinschaften“ geführt, selbst Sport nicht mehr über Klassen hinweg durchgeführt. Daher lassen sich Schließungen länger vermeiden, wenn etwa nur die ein oder andere Klasse in Quarantäne muss. Kontakte in andere Klassen und Schulen sollen nun vermieden werden, dazu gehört nun leider auch der Vereinssport.
In Abwägung, was mir wichtiger ist, muss ich leider sagen, Fußball und Vereinssport ist super, aber wichtiger ist, dass die Schule offen ist. In meinem Verein werden Grundlagen wie Kraft und Ausdauer in gemeinschaftlichen Zoom-Krafttrainings – mit hin und wieder kleinem Wettkampfcharkter (Klimmzugwettkampf über verschiedene Vereine hinweg) – durchgeführt, dass die Kinder nicht verfetten und vor allem Spaß haben und sich sehen. Zwischendurch gibt es auch eine Runde Scripple am Bildschirm, wo viel gelacht wird. Nein, nicht perfekt, aber deutlich besser als ohne.
Der Sport muss weitergehen, damit Kinder und Erwachsene an die frische Luft kommen, und der Körper Abwehrkräfte bilden kann