Tim Frohwein Digitalisierung

Manche Apps werden bleiben

Bald geht es vom Zoom-Call zurück auf den Trainingsplatz. Doch die pandemiebedingte Beschäftigung mit digitaler Technik wird auch im Amateurfußball Spuren hinterlassen, und zwar zum im besten Sinne. Von TIM FROHWEIN

In den nächsten Wochen werden wir auf die Fußballplätze zurückkehren. Endlich wieder Vereinssport unter real-sozialen Bedingungen. In den zurückliegenden Monaten fand der Amateurfußball in Deutschland bekanntermaßen nur virtuell und digital statt: Teamkolleginnen und -kollegen kamen zu Zoom-Trainingseinheiten oder Mannschaftsabenden zusammen, Vorstände wandten sich via Social Media oder neuem Newsletter an die Mitglieder, Abteilungsleitende saßen in virtuellen Weiterbildungskursen. Und Jugendcoaches organisierten für ihre Schützlinge eSport-Turniere.

Wir sind alle froh, dass diese Zeit bald und hoffentlich dauerhaft zu Ende geht. Und dennoch wird die pandemiebedingte, intensive Auseinandersetzung mit digitaler Technik Spuren im Amateurfußball hinterlassen. Und zwar im besten Sinne.

Skepsis und Berührungsängste wurden abgebaut, Einsatzmöglichkeiten und Komfortpotenziale erkannt. Nicht von ungefähr sahen die Teilnehmenden einer kürzlich veröffentlichten Umfrage „die Verbesserung der digitalen Infrastruktur“ als einen der zentralen positiven Effekte der Pandemie auf den Amateurfußball. Von mehr als 200 leitenden Vereinsfunktionären, die ich zu Beginn des zweiten Lockdowns in einem Hochschulprojekt befragt habe, gaben rund sechzig Prozent an, dass seit der Corona-Krise Apps und digitale Technik stärker zum Einsatz kommen als zuvor. Davon wird etwas bleiben.

Wie Amateurfußballvereine die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen können, lässt sich am Beispiel des bayerischen Kreisklassisten FSV Steinsberg zeigen. Dort setzt man auf:

– zentralisierte Vereinsverwaltung und EDV

– Mähroboter

– ein eigens installiertes Kamerasystem, das sowohl für die Trainings- und Spielanalyse als auch die Medienarbeit genutzt werden kann.

Ich bin sicher: Corona hat bewirkt, dass sich Amateurfußballvereine in Deutschland verstärkt mit den Möglichkeiten der Digitalisierung auseinandersetzen werden. Da bin ich nicht allein, der Sportsoziologe Ansgar Thiel von der Uni Tübingen schrieb vor wenigen Wochen, der Verein der Zukunft müsse „eine hybride Organisation mit analogen und digitalen Sportangeboten sein, in der digitale Kommunikationsmedien für das soziale Miteinander ebenso wichtig sind wie Treffen vor Ort“.

Da Vereine diese Vision oft nicht alleine umsetzen können werden, dürften sich Chancen für professionelle Dienstleister auftun. Bei Unternehmen, die wie LEAGUES, B42 oder Sportplatz Media Kunden vor allem im Amateurfußball akquirieren, hat sich der Digitalisierungsboom in den letzten Monaten positiv bemerkbar gemacht. Nach der Krise wird es für sie weiter bergauf gehen.

Allerdings darf man gerade in einer Boom-Phase nicht vergessen: Technische Entwicklungen bringen nicht nur Vorteile. Vereine müssen deshalb gerade jetzt kritische Fragen stellen. Mich hat schon vor der Pandemie gestört, dass manche meiner Mitspieler nach dem Training in der Kabine nicht als erstes zur Getränkeflasche, sondern zum Smartphone griiffen – dessen Display sie schwitzend volltropften.

Ich fände es auch traurig, wenn der leicht untersetzte, aber geniale Spielmacher durch Trackingdaten endgültig und objektiv belegt als zu lauffaul überführt und nicht mehr zum Einsatz kommen würde. Und wenn, wie beim FSV Steinsberg, der Vereinswirt ersetzt wird durch einen Getränkeautomaten mit Kamera- und Chipsystem, geht mir zu viel Seele verloren.

Tim Frohwein

Tim Frohwein

Tim Frohwein ist Soziologe und setzt sich seit über einem Jahrzehnt wissenschaftlich und journalistisch mit dem Amateurfußball auseinander. Seit bald zwanzig Jahren kickt er in den Herrenmannschaften des FC Dreistern München.

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