Der Fußball sollte, wie bei Alkohol und Zigaretten, auf diese Werbung verzichten

Der Fußball sollte, wie bei Alkohol und Zigaretten, auf diese Werbung verzichten

Die Glücksspielindustrie ist auf dem besten Weg, Teil der deutschen Fußballkultur zu werden. Mit enormen gesundheitlichen Risiken für die Beteiligten. Von MICHAEL FRANKE

Die Anbieter von Sportwetten haben es in Deutschland geschafft. Nach vielen Jahren in der rechtlichen Grauzone ist es den Sportwettenanbietern 2021 mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag gelungen, ihre Angebote legal platzieren zu dürfen. Schon lange vorher hatten tipico und andere Lücken der Gesetzgebung genutzt, um Wettfreunde in Deutschland für sich zu interessieren.

In Deutschlands Arenen ist die Werbung für Sportwetten längst omnipräsent. Lukrative Banden-, Banner-, und Trikotwerbung verursachen finanzielle Abhängigkeiten der Profiligen von Wettanbietern. Testimonials wie Oliver Kahn oder Lothar Matthäus verleihen dem Geschäft mit dem Glück Seriosität. Die Startseite von tipico zeigt als Partnerlogos die Logos des FC Bayern, der 1. und der 2. Bundesliga. Auch vor und nach TV-Übertragungen ist die Werbung für die Wette unvermeidlich.

Darüber hinaus entsteht das Gefühl, dass die mittlerweile rund dreißig Wettanbieter nicht nur in den Profistadien der Republik immer präsenter werden, sondern die Fühler auch in Richtung Amateursport bewegen.

Trikotaktionen mit stark reduzierten Artikeln sollen Amateurvereine motivieren, wiederum selbst Werbung zu machen. Beispielsweise wirbt der BVB mit 70 Prozent Rabatt für Bwin Trikotwerbung. Karstadt bietet 60 Prozent bei tipico Trikotwerbung. Mit solchen Rabattaktionen versuchen die Wettanbieter, sich ihre Präsenz auf den Sportanlagen an der Basis des Fußballs zu sichern.

Dann ist doch alles wunderbar, könnte man denken.

Überhaupt nicht! Denn wie jedes Glücksspiel birgt auch jede Sportwette ein enormes Suchtpotential. Vor allem die Werbung im Umfeld des Fußballs sorgt dafür, die Wetten als normaler Teil des Fußballs zu verstehen. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene wachsen in diesem Verständnis auf.

Dabei geht man in Deutschland von rund 430.000 spielsüchtigen Personen aus. Tendenz steigend. Und wie jede Sucht, kann auch Spielsucht existenzgefährdend sein. Für die süchtige Person aber auch für deren Freunde und Familie.

Die Glücksspielindustrie ist auf dem besten Weg, Teil der Fußballkultur in Deutschland zu werden. Mit enormen gesundheitlichen Risiken für die Beteiligten. Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene sind leichte Beute für das vermeintliche Spiel. Ein Spiel, das den Anbietern enorme Gewinne beschert, die aus den Geldbeuteln der Spieler stammen. Dass ein kleiner Teil dieser Gewinne in Form des Werbebudgets wieder in den Fußball zurückfließt, kann die gesamtgesellschaftlichen Schäden nicht aufwiegen. Dennoch ignoriert der Fußball die Risiken für Fans, Spieler und deren Umfeld.

Eine Ausnahme stellt im deutschen Profifußball der FC St. Pauli dar, der seit diesem Sommer auf Einnahmen aus Sportwetten Werbung verzichtet. Es wäre wünschenswert, dass St. Pauli auch in diesem Fall Vorreiter einer größeren Bewegung wäre. Das Produkt Sportwette gefährdet die Gesundheit der Spieler. Der Sport sollte, wie bei Alkoholika und Tabakwaren, aus ethischen Gründen auf Einnahmen aus Sportwettenwerbung verzichten, um seine Glaubwürdigkeit im Sinn der Fairness, der Gesundheit und der gesellschaftlichen Verantwortung nicht zu riskieren.

Michael Franke

Michael Franke

Michael Franke ist Erster Vorsitzender der FT München-Gern. 2018 hat er die Interessengemeinschaft Sport in München mitgegründet.

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