Bälle gestapelt

Amateure, organisiert Euch!

Jetzt wollen sie auch noch in der Jugend-Bundesliga unter sich bleiben. Von den Profis haben wir Amateure nicht mehr viel zu erwarten, auch vom DFB nicht. Wir müssen uns selbst helfen. Von GERD THOMAS

Die Bundesliga tut nichts dafür, die Breitensportler an sich zu binden. Jüngstes Beispiel: Die Jugend Bundesliga könnte reformiert werden.
Künftig sollen demnach dort nur noch Teams aus den Nachwuchsleistungszentren (NLZ) mitspielen. Für Hertha Zehlendorf, Tennis Borussia, TSV Niendorf oder Astoria Walldorf wäre dann kein Platz mehr. Dabei haben selbst Weltmeister wie Thomas Häßler und Jerome Boateng, auch Christian Ziege und Antonio Rüdiger dort ihre Wurzeln. Jonas Hector kickte noch bis zum 20. Geburtstag beim SC Auersmacher.

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Doch die Profivereine wollen unter sich bleiben. Jugendspieler sollen noch früher in ein NLZ wechseln und sich dort einem zweifelhaften Wettbewerb stellen. Oder sogar Rassismus aussetzen, wie es zuletzt beim FC Bayern der Fall war. Vermutlich wird die Drop-Out-Quote im Fußball weiter steigen, Talente werden noch früher verloren gehen. Im Umgang mit uns Amateuren sind die Profis nicht zimperlich. Man darf davon ausgehen, dass die nächste Konfrontation vor der Tür steht. Es ist nicht zu erwarten, dass der kommende TV-Vertrag der Bundesliga solidarischer praktiziert wird. Anstoßzeiten der Bundesligisten finden ja längst parallel zu denen der Amateure statt, Rücksicht wird nicht genommen, es regiert das Recht des Stärkeren, des Unverfrorenen.

Noch funktioniert das Geschäftsmodell der Profis, noch spielen die Amateure mit. Aber es findet zunehmend eine Entfremdung statt. Klüger wäre es daher, wenn die Bundesligisten mit fairen Angeboten auf die Amateure zugehen. Wie wäre es, wenn es statt Ausgrenzung ein Miteinander geben würde? Nicht zuletzt im Sinne der Talententwicklung. Vielen Breitensportvereinen, wo auch die Begabtesten ihre ersten Erfahrungen machen, wächst die Jugendarbeit längst über den Kopf. Für die Jüngsten sind die Bedingungen in vielen Vereinen nicht adäquat, weil manchen Trainern die Qualität fehlt und die Clubs den wachsenden Anforderungen nicht mehr nachkommen.

Wie wäre es zum Beispiel, wenn die Nachwuchsleistungszentren sich erst ab der C-Jugend in den Spielbetrieb einschalten würden und zuvor die ganze Breite der Region beobachten und unterstützen würden, statt den kleinen Vereinen schon achtjährige Talente wegzuschnappen? Jeder Amateurtrainer verliert irgendwann die Lust, wenn ihm jedes Jahr die Besten weggenommen werden und er dann auch noch beobachten muss, dass von diesen niemand Karriere macht.

Es ist eine alte Frage: Wer braucht wen mehr, die Profis die Amateure oder umgekehrt? Es würde mich überraschen, wenn die Proficlubs zur Einsicht kämen und auf die Amateure zugehen. Zuletzt stimmte die Bundesliga ein Klagelied an. Wahlweise wurden die Pandemie, die Bundesregierung oder die internationalen Verbände für die finanziellen Probleme verantwortlich gemacht. Der Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge rügte den DFB gar als geldgierig. Ausgerechnet der Chef von Deutschlands größter Fußball-Marketing-Maschine, der sein Team jedes Jahr im Unrechtsstaat Katar ein Trainingslager abhalten lässt. Und sein größter nationaler Konkurrent aus Dortmund, Hans-Joachim Watzke, stimmte ein. Der Bundesregierung und der den Fußball liebenden Kanzlerin, die den DFL-Profis in den letzten Monaten so weit entgegengekommen war, sagte er „populistisches Fußball Bashing“ nach. Die Vertreter der Profis fordern also Unterstützung, verschweigen aber, dass sie selbst mit abenteuerlichen Gehältern und Ablösesummen sowie Wetten auf 15-Jährige wesentlich zu ihrer schwierigen Situation beitrugen. Vermutlich werden sie auch weiterhin versuchen, ihre Geschäfte zu optimieren und auf dem Rücken von anderen möglichst viel Profit zu erzielen. Sie werden auch künftig Kinder sehr früh an sich zu binden.

Der DFB sollte die Amateure eigentlich anführen, denn diese haben gewiss nicht weniger Bedarf an Unterstützung als die 36 Proficlubs. Doch das tut er nicht. Zur DFL Task Force Profifußball wurde jedenfalls kein einziger Amateurvertreter entsandt. Dort tauchen zwar Politiker und Journalisten wie Lars Klingbeil, Cem Özdemir und Philipp Köster auf, um zusammen mit Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nach dem Stein der Weisen zu suchen. Doch die Talententwickler und darüber hinaus die besten Kunden der Profis fragt man nicht. Wahrscheinlich gehen alle davon aus, dass die Amateurfußballer zu Weihnachten weiterhin den Fan-Shop besuchen und Dauerkarten kaufen.

Bisher haben die Amateurvereine es nicht geschafft, kampagnenfähig zu werden, obwohl inzwischen viele so unzufrieden sind, dass sie sich vom Profifußball abwenden. Irgendwann aber könnten sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und aufbegehren. Zum Beispiel gegen die immensen Kosten der Akademie, die der DFB zahlt, die aber nur von angehenden Profis genutzt werden wird. Sie könnten auf TV-Abos verzichten, zu Weihnachten anstelle des komplett überteuerten Trikots von Thomas Müller oder Marco Reus lieber drei ihres Heimatvereins kaufen. Vor allem aber sollten sie ihren Landesverbänden sowie ihrem Dachverband, dem DFB, klar zu verstehen geben, was sie sich wünschen: eine Interessensvertretung aller 25.000 Vereine.

Gerd Thomas

Gerd Thomas

Gerd Thomas ist seit 2017 Erster Vorsitzender (seit 2003 im Vorstand) des FC Internationale Berlin. 2013 zeichnete der DFB den Verein mit dem Integrationspreis aus.

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