Sonnenschein Fußballplatz

Wir müssen unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen

Amateurvereine sollten sich nicht bekämpfen, sondern die Chance zur Mitbestimmung nutzen. Das geht nur gemeinsam. Von GERD THOMAS

Konkurrenten auf dem Platz, Verbündete daneben! Dieses Motto wünsche ich mir für Amateure. Die Wahrheit ist leider anders. Zwar verstehen wir uns oberflächlich oft gut, aber im Zweifel gönnt Verein A seinem Nachbarverein B nicht den Matsch unterm Stollen. Statt sich zusammenzutun, wählen viele bei Abstimmungen in den Landesverbänden oder Fußballkreisen die Variante, die dem eigenen Verein die größten Vorteile bringt. Dass die meisten Präsidien der Landesverbände beim Krisenmanagement eine dürftige Figur abgeben, macht die Sache noch schwieriger.

Mit großer Energie und wird seit Beginn der Corona-Krise nun gestritten, wie man mit der Saison umgehen soll: Abbruch, Annullierung, Unterbrechung? Welche Tabelle zählt, gilt die Quotientenregel? Das sind natürlich keine unbedeutenden Fragen, doch es gibt grundsätzlichere Dinge zu klären. Vielen Vereinen geht es seit Jahren schlecht. Die Krise des Ehrenamts trifft fast alle. Trainer werden rarer. Viele Vereine finden auch keine Jugendleiter mehr, die bereit sind, sich zwanzig oder dreißig Stunden pro Woche um die Ohren zu hauen. Eltern konfrontieren uns mit unrealistischen Forderungen, wollen gleichzeitig für die Dienstleistungen des Vereins aber kaum etwas zahlen. In den Innenstädten ist die Infrastruktur oft katastrophal, in ländlichen Gebieten fehlen häufig die Spieler für eine A- oder B-Jugend, Spielgemeinschaften sind nur selten Liebesbeziehungen. Hinzu kommen teils absurde Auflagen von Verbänden.

Die schwierigste Situation seit Kriegsende könnte eine Gelegenheit sein, Fehlentwicklungen zu korrigieren. Doch der Wettkampf der Vereine tobt weiter. Ich bekomme es in Berlin mit, sie werben sich weiterhin Spieler ab, zunehmend auch Spielerinnen, in den Ballungsräumen schon im Kindesalter. Vielerorts werden Spieler maßlos bezahlt. Fazit: Die meisten Vereine überlegen, wie sie zum Krisengewinnler werden können. 

Es wäre daher nötig, sich gemeinsam zu vergewissern, was für den Fortbestand des Amateurfußballs notwendig ist. Zumal von den Verbänden keine Unterstützung kommt. Eine typische Erfahrung: In Berlin wurde auf dem Verbandstag im November 2019 eine AG Zukunft beschlossen, die Themen wie Ehrenamt, Respekt, Digitalisierung, Infrastruktur, Jugend, Frauen, aber auch Amtszeitbegrenzung für Präsidiumsmitglieder diskutieren soll. Sechs Monate später ist das Präsidium allerdings immer noch nicht in der Lage oder willens, einen Plan für das Unterfangen vorzulegen. Sind die Vorschläge der Antragsteller, zu denen ich gehöre, zu heikel? 

Doch es wäre zu leicht, alles dem gern kritisierten DFB in die Schuhe zu schieben. Schließlich sind Verbände ein formal demokratisches Gebilde. Die Mitglieder der DFB-Gremien werden von den Landesverbänden gewählt, in der Regel werden die DFB-Ämter von den Landespräsidenten (Präsidentinnen gibt es nicht) bekleidet. Diese wiederum werden von den Vereinsdelegierten gewählt. Und die Vereinsvorstände werden von ihren Mitgliedern gewählt. Die Chance zur Mitbestimmung ist also da.

Wir Amateure müssen endlich begreifen, dass wir unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen müssen. Die gesellschaftlichen Entwicklungen sind nicht gerade positiv für den Breitensport und es braucht eine grundsätzliche Debatte über Wert und Sinn des Amateurfußballs. Er ist immer noch der größte Jugendhilfeträger des Landes, ein Vorreiter in Integration. Er ist gesundheitsfördernd, bringt verschiedene Generationen zusammen, schafft Freundschaften und Bindungen quer durch die Milieus. Wer kann das sonst? 

Doch der Fußball spielt seine Trümpfe nicht aus. Die Äußerungen des DFB-Präsidenten Fritz Keller, unseres höchsten Repräsentanten, werden der Leistung der Vereine und ihrer Ehrenamtlichen nicht immer gerecht. Da kommt mir die Bundesliga strukturierter vor. Ob man den Ankündigungen Christian Seiferts, der sie reformieren möchte glaubt oder nicht – die DFL scheint zu wissen, dass sie sich weiterentwickeln muss. Auch der Amateurfußball sollte versuchen, vieles zu überdenken. Falls nicht, könnte sich dieses Versäumnis rächen.

Gerd Thomas

Gerd Thomas

Gerd Thomas ist seit 2017 Erster Vorsitzender (seit 2003 im Vorstand) des FC Internationale Berlin. 2013 zeichnete der DFB den Verein mit dem Integrationspreis aus.

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